16. bis 24. Mai: Der Rechtsstaat und die Notstandsmaßnahmen
Infolge des rechtlichen Vorgehens gegen einige den Streik ablehnender Studenten eines kleinen Cégep im Norden der Provinz erließen die Gerichte von Québec am 30. März eine einstweilige Verfügung, wonach es von nun an für Demonstranten verboten ist, irgendetwas zu unternehmen, was einen Studenten jener Hochschule davon abhält, seine Vorlesungen zu besuchen. In den folgenden sechs Wochen wurden mindestens 38 weitere Verfügungen ähnlichen Inhalts erlassen. Dennoch bestanden die Streikposten weiter. Insbesondere in Gatineau und Sainte-Therèse in der Nähe von Montréal und im innerhalb der Stadt gelegenen Collège de Rosemont wurde die Bereitschaftspolizei gerufen, um die Streikposten aufzulösen.
In Montréal, wo der Kampfgeist am stärksten war, erwiesen sich die Verfügungen als nicht durchsetzbar; es gab einfach nicht genug Polizei, die man hätte an die Hochschulen schicken können, um diese offen zu halten. Vielleicht die bemerkenswerteste Aktion, um sich den Verfügungen zu widersetzen, fand am 12. April auf dem Campus der Eliteuni Université de Montréal statt. Hunderte von Aktivisten brachen in zwei Gebäude ein; Tausende jubelten, als dabei vor ihren Augen ein Rammbock zum Einsatz gebracht wurde. An der Aktion Beteiligte sprühten Graffiti und zerstörten Computersysteme, indem sie in über zwanzig Seminarräumen Glasfaserkabel durchtrennten.
Es wird davon ausgegangen, dass Charest und sein Kabinett seit dem 10. Mai, als die Verhandlungen zwischen Regierungsvertretern und den Studentenvertretungen zum zweiten Mal scheiterten, über ein Notstandsgesetz nachzudenken begannen, um die Ordnung wiederherzustellen und die Bewegung zu lähmen. Angeblich war es ein von den Medien stark verbreiteter Vorfall an der UQÀM vom Mittwoch, dem 16. Mai, der für den Premierminister das Fass zum Überlaufen brachte: Da sie es nicht geschafft hatten, die Studenten am Betreten des Gebäudes zu hindern, streiften hunderte vermummter Aktivisten stattdessen über den Campus, stürmten Seminarräume und versuchten, die Durchführung der Lehrveranstaltungen zu verhindern, indem sie „Streikbrecher!“ brüllten oder sogar physisch versuchten, Leute aus den Räumen zu entfernen. Ähnliche Aktionen hatte es an der UQÀM seit Monaten gegeben, aber mithilfe der Medien bauschte die Regierung diesen Vorfall vom Mittwoch Morgen auf, um am Abend desselben Tages ihr loi spéciale anzukündigen, welches die Krise beenden sollte. Am Freitag, den 18. Mai um Mitternacht wurde das Gesetz verabschiedet.
Charests Gesetz verbietet Demonstrationen jeder Art innerhalb eines bestimmten Radius um einen Uni- oder Cégep-Campus und droht mit hohen Geldstrafen für jeden, der irgendetwas tut, um Studenten am Besuchen ihrer Lehrveranstaltungen zu hindern: zwischen 1.000 und 5.000 Dollar für Individuen, zwischen 7.000 und 35.000 Dollar für Studenten- oder Gewerkschaftsführer und zwischen 25.000 und 125.000 Dollar pro Tag für Studentenorganisationen oder Gewerkschaften. Weiter schreibt das Gesetz vor, dass die Initiatoren jeder Demonstration von mehr als 50 Personen mindestens acht Stunden vor Beginn der Veranstaltung einen Routenplan einreichen, wobei es der Polizei erlaubt ist, die Route zu ändern, um Gefahren für „die öffentliche Ordnung und Sicherheit“ zu vermeiden. Für die elf Unis und 14 Cépegs, die sich im Streik befanden, wurde der Unterricht durch das Gesetz für das Wintersemester ausgesetzt, und es wurde festgelegt, dass die ausgefallenen Veranstaltungen in einem außerordentlichen Lehrabschnitt im August und September nachgeholt würden. Das Gesetz läuft am 1. Juli 2013 aus, wobei es möglich ist, dass es erneuert wird oder dass Teile davon dauerhafte Gültigkeit erhalten.
Zur gleichen Zeit trat eine neue Version der Montréaler Gemeindeverordnung P-6 in Kraft, die im Folgenden erklärt wird. Obwohl Gérald Tremblays Gesetz, anders als das Notstandsgesetz, seit dem 19. Mai ständig gegen Demonstranten angewendet worden war und obwohl diese Ergänzungen des bereits existierenden Gesetzes dauerhaft sind, bekam die Verordnung P-6 lediglich einen Bruchteil der Aufmerksamkeit durch die Mainstream-Medien, die revolutionäre und reformistische Linke und die Anarchisten. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass jede einzelne Demo, die bislang durch die Straßen zog und skandierte ON S’EN CÂLISSE LA LOI SPÉCIALE! – sinngemäß: „Wir kümmern uns einen Scheiß um das Notstandsgesetz!“ – jede dieser Demos wurde durch die Gemeindeverordnung und nicht durch das Gesetz der Provinzregierung für illegal erklärt.
Die Gemeindeverordnung P-6 wurde im Jahre 2001 eingeführt und legt fest, dass es im Ermessen der Polizei liegt, jede Demonstration für illegal zu erklären, wenn sie triftige Gründe für die Annahme hat, diese würde zu „einem Aufruhr“ führen oder in anderer Weise die öffentliche Ordnung gefährden. Sie verbietet auch das Mitbringen von stumpfen Gegenständen auf Demos, namentlich Baseball- wie Hockeyschläger – berühmt durch deren Benutzung während der Anti-FTAA-Demonstrationen in Québec City 2001 als Tränengaskanister zurück auf die Polizei geschlagen wurden. Das erste Bußgeld nach dieser Gemeindeverordnung betrug ursprünglich zwischen 100 und 300 $, für das zweite Delikt 300-500 $ und 500-1000 $ für jede Folgetat. Die neue Version des Gesetzes erhöht die Bußgelder signifikant, so dass der erste Verstoß jetzt 500-1000 $ kostet und sich beim dritten und jeden weiteren Verstoß auf enorme 3000 $ erhöht. Es verbietet, sein Gesicht „ohne einen vernünftigen Grund“ zu verdecken. Ausdrücklich werden Schals, Masken und Kapuzen genannt. Wie das Sondergesetz verpflichtet es zur vollständigen Zusammenarbeit mit der Polizei, wenn es etwa vorschreibt, dass man ihnen die ganze Demonstrationsroute im Voraus preisgibt.
Am Abend des 16. Mai fand am Frauengefängnis in Tanguay die größte Lärmdemonstration statt, die jemals in Montréal stattgefunden hatte, um Solidarität mit den Frauen zu üben, die dort wegen ihrer vermeintlichen Rolle beim oben erwähnten Rauchbombenzwischenfall am 10. Mai festgehalten wurden, wie auch mit allen anderen, die sich wegen der Streikereignisse mit gerichtlicher Repression konfrontiert sehen. Nach einem gewaltigen Feuerwerk, einem 10-minütigen Hin-und-Hergerufe mit den Gefangenen und der Freisetzung einer Rauchbombe unterhalb eines SQ-Fahrzeugs – es war die Provinzpolizei, die dieses Ereignis überwachte – kehrten gut 100 Demonstranten zur Metrostation Henri-Bourassa zurück, überfluteten die sich darin befindenden Bullen, hüpften über die Drehkreuze und nahmen einen Zug Richtung Süden, der zum bestmöglichen Zeitpunkt abfuhr. Eine Chor von „Berri! Berri! Berri!“ begann, und die Leute stiegen an der Metrostation Berri wieder aus, schlossen sich der Nachtdemonstration an, nahmen an der ersten einer Reihe von konfrontativen Demo solchen Typs in den nächsten Wochen teil. Sie wurde nach fünfundvierzig Minuten aufgelöst, mehrere Banken wurden beschädigt.
Die Nachtdemos wurden durch die Verkündung des Sondergesetzes durch Charest wieder angeheizt und nicht durch die konstante Bemühung einer kleinen mit der CLAC verbundenen Gruppe von Antikapitalisten, die versuchten, Tremblays Maskengesetz mit expliziten Pro-Maskendemonstrationen entgegenzutreten. Das zeigt die problematischen Resultate der populären Fokussierung auf bestimmte Politiker als Buhmänner. Seit mindestens 2009 versuchte Tremblay die Vermummung zu kriminalisieren, etwa um die Demonstrationen am 15. März zu zähmen; jetzt benutzt er den Streik als günstige Gelegenheit, um das zu erreichen und mit seinem Projekt voranzukommen, Montréal in eine für Bourgeoisie-Kolonisatoren und das transnationale Kapital respektable Stadt zu verwandeln. Das Stadtparlament von Montréal zieht jedoch weniger Aufmerksamkeit auf sich, als die ideologisch aufgeladene Nationalversammlung und genausowenig taugt der Bürgermeister als polarisierende politische Figur.
Gesetze selbst können auch als Buhmann dienen und von der Wurzel der Sache ablenken. Es gibt eine gewaltige Flut volkstümlichen Unmuts gegen das Sondergesetz, das weithin als der Charta of Rights and Freedom widersprechend angesehen wird und das momentan durch das Gericht angefochten wird. Wenn das Gesetz wirklich angewendet wird, könnte dies dazu führen, mehr Verärgerung in der Bevölkerung zu erzeugen. Andererseits gibt es keine Kontroverse über das Gemeindegesetz P-6, obwohl dieses dazu benutzt wurde, um die Bewegung zu unterdrücken. Tatsächlich konnte, wann immer ein Aufschrei über Twitter ging, dass „diese Demo aufgrund des faschistischen Sondergesetzes für illegal erklärt wurde“, die SPVM die twitternde Intelligenzia mit folgender einfachen Korrektur befriedigen: „Nein, eigentlich wurde dieses Gesetz gar nicht angewendet. Stattdessen wurde die Demonstration durch die Gemeindeordnung für Illegal erklärt.“ Es sollte keine Rolle spielen, aufgrund welchen Gesetzbuches sie für ungesetzlich gemacht wurde, aber irgendwie wird dieser Unwille der Polizei, dieses umstrittene Gesetz zu benutzen, als moralischer Sieg derjenigen angesehen, die die Studenten unterstützen, selbst wenn derselbe Zweck mit anderen Gesetzen erreicht wurde. Anarchisten sollten zur Kenntnis nehmen, wie viele Aktive daran scheiterten, das Gesetz selbst als Waffe zu thematisieren, die gegen uns angewendet werden kann.
Die Nachtdemo am Mittwoch, dem 16. Mai, war seit einiger Zeit die konfrontativste und der pazifistische Einspruch gegen konfrontative Taktiken war deutlich eingeschüchterter, als es üblich geworden war. Die Leute waren wütend. Währen der nächsten paar Tage kamen Anarchisten vom ganzen Kontinent für die Anarchistische Buchmesse nach Montréal, im Territorial des kanadischen Staates wahrscheinlich die größte jährliche Versammlung von Anarchisten. Es ist verführerisch anzunehmen, dass dieser Zustrom von Anarchisten erklärt, warum die Nächte der Buchmesse besonders verrückt waren. Tatsächlich ist das unwahrscheinlich. Für viele in Québec und besonders in Montréal bedeutet Charest’s Sondergesetz einen Schritt in den Faschismus, dem sie sich dringend widersetzen müssen.
Die Demonstration Freitagnacht, dem 18. Mai, war die im Verlauf des Streiks dritte Gelegenheit, bei der Molotowcocktails gegen die Polizei aufgeboten wurden. Zwei wurden Ecke Boulevard Réné-Lévesque/Saint-Laurent auf die Polizei geworfen, trafen aber ihr Ziel nicht. Ab diesem Zeitpunkt erklärte die Polizei die Demonstration für illegal und bot Tränengas und Blendschockgranaten auf; sie konnten während dieser Nacht jedoch nur vier Festnahmen machen. Die Demonstration währte bis 3:30 in der Nacht, mit verschiedenen die Innenstadt wie den etwas nördlich gelegenen Stadtteil Plateau durchziehenden Gruppen. Nach dem initialen Zusammenstoß blieb ein großer Teil der Nacht passiv, aber nicht vollständig: In Plateau wurden Banken und andere Konzernstellen angegriffen.
Samstagnacht war durch eine Menge von mehrheitlich Bargästen gekennzeichnet, die sich den Demonstranten der Straße anschlossen und genauso von einigen besonders willkürlichen und dummen Gewalttaten seitens der Polizei. Auf der Saint-Denis-Strasse begannen sie während eines Angriffs auf eine Gruppe von Militanten einen älteren Mann zu schlagen, der nicht schnell genug rennen konnte. Auf derselben Straße drangen sie auf die Terrasse des Le Saint-Bock, einer Kneipe. Einige der Gäste auf dieser Terrasse trugen rote Quadrate – in diesen Tage in jeder beliebigen Versammlung in Montréal üblich – und einige von ihnen haben die Polizei gescholten, als diese einige Meter entfernt Militante angriff.
An den Eingängen der McGill Universität und dann an der Kreuzung Rue Ontario und Boulevard Saint-Laurent kam es zu einem beträchtlichen Austausch von Projektilen zwischen Polizei und Demonstranten. Bei der zweiten Konfrontation wurden die Militanten durch eine Polizeilinie an ihrem Weg nach Süden gehindert, aber sie hatten einen Vorteil, indem sie weiter oben auf dem Hügl standen und so hagelte eine enorme Menge Steine auf die Polizei. Wenn nicht eine weitere Einheit der Aufstandspolizei begonnen hätte, sich östlich entlang der Rue Sherbrooke zu bewegen – ihr Ziel war es, die Saint-Laurent von Norden her zu blockieren und die Demonstration einzukesseln –, dann hätten die Demonstranten vielleicht die Linie Richtung Ontario durchbrechen können.
Nach dieser Konfrontation ging die Demonstration weiter Richtung Osten zur Rue Saint-Denis, wo sie auf große Gruppe von Bargästen stießen, die sie willkommen hießen. Eine Mischung aus Militanten und nach Aufregung suchenden Betrunkenen baute ein großes Freudenfeuer auf der Kreuzung von Saint-Denis und Ontario.Als die Polizei anmarschierte, zogen sich die Leute zum nahegelegenen Berriplatz zurück, wurden aber schnell vertrieben, da die Polizei eine überwältigende Menge Tränengas einsetzte. Insgesamt wurden 69 Leute verhaftet.
Sonntagnacht wurde die Polizei angewiesen, viele Leute zu verhaften; es gab insgesamt 308 Festnahmen. Die Demonstration war von Anfang an durch heftige Konfrontationen gekennzeichnet, bei denen viele Militante die Initiative ergriffen, konkret auszubrechen und Steine auf die Polizei regnen zu lassen. Die SPVM antwortete, indem sie die Demo wiederholt mit dem Ziel angriff, sie in kleinere, handhabbare Gruppen zu zersplittern. Einmal fand sich eine große Anzahl Straßenkämpfer eingekesselt. Ehe sie einwilligten, verhaftet zu werden, zählten sie runter, griffen an und brachen aus dem Kessel aus. Einige wurden von den Polizeiknüppeln verletzt, aber alle kamen davon. Andere unglücklicherweise nicht, darunter viele Anarchisten, die zu Besuch aus anderen Städten kamen.
Das waren die Nächte, als viele der Anarchisten von außerhalb der Stadt die sich in Montréal entfaltenden Ereignisse selbst erlebten. Das war die Zeit, als der Streik vielleicht auch am rauschhaftesten und schönsten war. Die Zahl der Leute auf der Straße, die Wildheit, mit der sie sogar im Angesicht einer ermutigten und hochgradig brutalisierten SPVM kämpften, das Wissen, dass einige Leute durch einen Kessel gebrochen sind und einer sonst vollzogenen Massenverhaftung entfliehen konnten… daraus ergaben sich gute Geschichten, für die in ihre Heimatstädte zurückkehrenden Besucher, egal, wie viele festgenommen und brutal behandelt wurden.
In den Folgetagen wurden die Straßendemonstrationen passiver, was die SPVM aber nicht davon abhielt, Leute anzugreifen, zu jagen und festzunehmen. Die passive Demonstration von Montagnacht war eine kurze Atempause vom Chaos, wahrscheinlich, weil sowohl Militante wie Bullen vom Wochenende erschöpft waren. Diese Demo tat wenig mehr, als zur Villa von Charest in einem der reichen Viertel von Westmount zu laufen, davor zu stehen und zu rufen.
Am Dienstag, dem 22. Mai, war der Tag einer landesweiten Demonstration in Montréal und der 100ste Tag seit Streikbeginn. Eine gewaltige Masse drang auf die Straßen – verstärkt durch Busladungen voller Militanter, die aus Toronto und anderen Städten ankam, um ihre Solidarität auszudrücken, aber vor allem auch durch Leute, die eher dem Sondergesetz entgegentreten wollten als der Erhöhung der Studiengebühren. Am Beginn der Demonstration rief der Präsident von FÈCQ dazu auf, der Route zu folgen, die die Organisatoren der SPVM ausgeplaudert hatte, damit die Leute „insgesamt sicher“ protestieren könnten. Sowohl das Kontingent von CLASSE als das autonom organisierte antikapitalistische Kontingent weigerten sich, zu gehorchen.
Die auf 400.000 geschätzte Demonstration war unmöglich zu beherrschen, selbst mit einer erheblichen Anzahl von Friedenspolizisten und (wahrscheinlich) Zivilpolizisten der SPVM. Daraus Vorteil ziehend, zerstörten Straßenkämpfer einen Teil der Innenstadt gründlich und das am hellichten Tag: Banken und isolierte Polizeifahrzeuge wurden angegriffen, und weder die Bullen noch die Ordner konnten irgendwie einschreiten. Das war der einzige Moment erheblicher Gewalt durch Militante an diesem Dienstag. Später, als das Kontingent von CLASSE dem Sondergesetz trotzte, indem es die vorherbestimmte Route verließ und versuchte, sich mit der Nachtdemonstration zu treffen, die gleichzeitig vom Berriplatz losgehen wollte, war die Atmosphäre weniger konfrontativ als ungehorsam. Sowohl die Nachtdemo als auch der Marsch von CLASSE wurden brutal unterdrückt, wobei die SPVM diese Nacht 113 Verhaftungen meldete.
Mittwochnacht, am 23. Mai, gab es die größte Zahl von Verhaftungen aller Nächte des Streiks: insgesamt 506 Leute, darunter 30 Kinder, die mit ihren Eltern Töpfe und Pfannen geschlagen hatten. Es war eine fast völlig passive Demonstration – nur eine kleine Zahl trug Kapuzen oder Masken und es gab praktisch keine Versuche, zurück zu schlagen, trotz der zahlreichen Provokationen durch die Polizei – aber sie widersetzte sich den neuen Restriktionen für Demonstrationsrouten. In der Innenstadt trafen die Casserole-Demonstrationen aus allen Vierteln zusammen, überall in der Stadt waren Leute. Die Polizei, ermutigt durch neue Gesetze und aufgrund einiger jüngerer Ereignisse wütend, griff hart durch. Diese Vorfall widerlegte die Behauptung, dass „Verbrecher immer erwischt werden“.
Einen gewissen Anteil an den Debatten unter Anarchisten hatte die Frage, inwieweit man sich auf Rechtsfragen konzentrieren soll. Wir respektieren das Recht in keinem Fall, Richtig? Ja, es ist offensichtlich: Seit dem 19 Mai trat der konfrontative Charakter des Streiks weniger deutlich hervor. Das Gesetz beeinträchtigte uns. Mehr noch: Es beeinträchtigte jene, die das Gesetz erst prinzipiell ablehnen müssen und deren Beteiligung an der Bewegung und Präsenz auf der Straße so wichtig war, um diesen Moment zu erzeugen.
Das ist ein Problem und die nächstliegendste Antwort darauf ist Propaganda. Anarchisten müssen unsere Ideen im Gegensatz zu den Ideen des Gesetzes präsentieren. Um damit anzufangen: Wenn Leute in Québec über Faschismus reden wollen – und in der Tat sind sie auf die Verwendung dieses bestimmten Begriffs, Faschismus, festgelegt, so weitgehend, dass es überflüssig wäre, sie davon überzeugen zu wollen, eine präzisere Sprache zu benutzen – dann sollten wir den Gegenstand der öffentlichen Sorge weg von den bestimmten Gesetzen oder Tyrannen verlagern. Statt dessen sollten wir den Umstand betonen, dass Gesetzbücher zerstörerische Waffen sind und wie andere Waffen gelegentlich verändert und aufgebessert werden müssen. Das sollten wir an vielen unterschiedlichen Orten und Zusammenhängen herausstellen: Notstandsgesetze haben den Notstand überlebt.
Schlussendlich gibt es eine Tendenz, sich eher auf das Sondergesetz zu konzentrieren, statt auf die Gemeindeverordnung P-6. Wenn wir uns schon auf spezielle Gesetze konzentrieren, sollten wir wenigstens die Aufmerksamkeit auf das Gesetz lenken, das gerade angewendet wird. Das Sondergesetz der Provinz trifft auf große öffentliche Opposition und wird durch das Gericht angefochten. Die Gemeindeverordnung P-6 andererseits ist unsichtbar und scheinbar harmlos. Anarchisten müssen diese Verhüllung wegreißen, indem sie die Praxis des Maskentragens lautstark verteidigen, während sie jedes Gesetz, jede Regierung oder jedes verallgemeinerte soziopolitische System anprangern, die das zu unterdrücken sucht. An direkter Aktion orientierte Anarchisten sind eher dafür geeignet, dem Gesetz auf der Straße entgegenzutreten als in den Gerichten, aber der Nutzen, es auch von anderen Fronten her anzugreifen, ist nicht von der Hand zu weisen.