Antwort auf die Urteilsbegründung des Infoladen Daneben
Sehr geehrte Damen und Herren Daneben,
wochenlang haben wir uns gefürchtet, haben gezittert vor dem Unausweichlichen: dem Differenzierungsvermögen des Infoladen ‚Daneben‘. Wir wurden nicht enttäuscht. Ihr widmetet uns nach längeren Diskussionen ein nettes Pamphlet, das begründen soll, warum wir aus unserem Plenumsraum rausgeflogen sind und keine Postadresse bekommen. Und weil Ihr durchaus friedliebend seid, zieht Ihr sogar die durchaus zivilisatorische Konsequenz, uns nicht zu verprügeln: „Wir halten eine Gewaltanwendung gegen die ADK für nicht angemessen und falsch“. Holla! Und dann geht es zur Sache, wird so richtig Kritik an uns geübt. Wir wären „undifferenziert“, würden unsere „Positionen als absolut und somit objektiv wahr“ setzen und außerdem der hemmungslosen Kritiksucht frönen. Doch das will Euer stets das „Einerseits“ gegen das „Andererseits“ abwägende Infoladen nicht. Statt „Gelüsten nach massiver Kritik an alles und jedem“, gibt es ein echt deutsches Projekt, die „Aufarbeitung des eigenen Antisemitismus“. Vielleicht habt Ihr das Buch „Wir sind die Guten“ gelesen; vielleicht sind Euch die linken Männerstammtische, die es ja tatsächlich geben soll, zu sehr zu Kopfe gestiegen. Anstatt den eigenen Antisemitismus einfach zu unterlassen, gründet man eine Selbsthilfegruppe zwecks Therapie und tut so, als ob der Antisemitismus tief drin wäre in der Psyche aller und erst nach langen Üben verschwindet. Gut, lassen wir Euch Infoladenbesitzerinnen, die Ihr es sicher sehr gut meint, in dem Glauben, Ihr wäret antisemitisch, und wenn Ihr wollt, dürft Ihr sogar Teil derjenigen Gesellschaft sein, die Euch mit Fahndungsplakaten jagt, wenn Ihr allzu aufmüpfig werdet. Wir finden es nicht schön, aber wer unbedingt glauben will, man sei per Sozialisation deutsch und dürfe deswegen nicht beckmesserisch andere kritisieren, sondern müsse „die eigene Verwobenheit innerhalb der deutschen Zustände“ reflektieren, dem sei dieser Unsinn genehmigt. Jedem und jeder ihre höchst individuelle Schrulle. Redet aber doch bitte nicht heideggerisierend von „der Verwobenheit“ (schlechter Stil)
Ihr seid mit der deutschen Gesellschaft verwachsen, Ihr besitzt „einen eigenen, mehr oder weniger latenten Antisemitismus“, seid Teil des deutschen „Täterkollektivs“, tragt „persönliche Verantwortung“ für die Verhältnisse, die Ihr qua „Verwobenheit“ (Omm, Omm) nicht kritisieren mögt. Nun gut, wir hätten es so scharf nicht formuliert, aber Selbstkritik ist nie falsch. Beklagt Euch aber doch bitte nicht, wenn Euch Menschen, die keine Antisemiten sind, als solche beschimpfen, wenn Ihr doch selbst eingesteht welche zu sein. Tut doch nicht so, als ob wir das deutsche Volk erst konstruiert hätten, wenn Ihr glaubt, ihm aufgrund teuflischer Kräfte nicht entfliehen zu können und es wohl deshalb mit schöner Regelmäßigkeit in Euren Kneipen bekocht. Das ist ein formallogischer Irrtum. Nicht, daß wir die formale Logik allzu sehr schätzen, aber hinter sie zurückfallen sollte man nun doch nicht. Entweder man ist Teil der deutschen Gesellschaft – „ob es nun paßt oder nicht“ – oder es gibt sie nicht und wir haben sie erfunden. So ist er aber, Euer Infoladen Daneben, man will es allen recht machen und schert sich deshalb nicht weiter um die Logik, die wohl auch irgendwie einen Absolutheitsanspruch hat und am Ende gar wahr sein will.
Vor dem Fischladen hing eine Zeit lang ein Lappen, der von Euch sicherlich als sehr problematisch eingestuft wird, aber nichts desto trotz Euer Gefühlsleben ganz gut wiedergibt: ‚Gegen deutschen Antisemitismus und israelischen Imperialismus‘, war dort zu lesen. Man hatte wohl gedacht, stromlinienförmig wie man ist, so wird sich weder der palästinensische Genosse, noch die Gruppe Venceremos von einem abwenden, und man hört nicht die üblichen Vorwürfe. Aber wir dogmatischen Antideutschen, unverbesserliche Freunde des jüdischen Staates, die wir sind, kennen nur eins: Kritiksucht. Statt Euch wegen Eurer vorbildlichen Lernprozesse auf die Schulter zu klopfen, ist es plötzlich geschmacklos, antisemitische Volksbewegungen und bürgerliche Staaten auf eine Stufe zu stellen.
Aber der Diffamierung nicht genug: Nur weil einer von uns in Eurem Infoladen mit einem – zugegeben problematischen – ‚Zionistenschwein‘ eins in die Fresse bekommen hatte, wurden wir nicht nur platt und irgendwie parolenmässig, sondern schleimten uns auch noch bei der Zeitschrift Bahamas ein. Wir rechneten wahrscheinlich damit, daß diese „ca. 9“ Sittenstrolche die Einzigen sein würden, die aufgrund ihrer allseits bekannten „Profilierungssüchte“ die „unqualifizierte“ Unterstellung, es würde sich um einen antisemitischen Überfall handeln, teilen und öffentlich machen. Aber Ihr, also die Daneben-Leute, seid doch – wie schon des öfteren angemerkt – differenziert: Existenzrecht, geht schon klar, Holocaust und so, alles schon mal gehört. Also wirklich. Warum sollte also aus Eurer Mitte ein antisemitischer Angriff entstehen? Niemals! „Die Bewertung des Schlages als antisemitischen Überfall teilen wir aber nicht. Die Äußerung ‚zionistische Scheiße‘ sehen wir als höchst problematisch an.“ OK, Ihr sagt mal, der Überfall wäre: „strukturell antisemitisch“, nicht so gemeint, halb so schlimm. Von der Struktur her war es also antisemitisch. Was aber ist eine antisemitische Struktur? Wahrscheinlich meint dieser Kauderwelsch etwa, da der Täter paranoid, stereotyp und gefährlich ist, sein Opfer aber diesmal kein Jude war sondern nur jemand, den er für einen Juden hielt oder für zumindest genauso verabscheuungswürdig. Vielleicht war das Opfer ja auch von der Struktur her ein Jude. Weil Ihr, liebe Daneben-Leute, irgendwie erahnt habt, daß diese Formulierung verrät, wie wenig ernst Euch der Antisemitismus ist, fügt Ihr noch die etwas holprig formulierte Versicherung bei, daß Ihr Antizionismus für problematisch und strukturellen Antisemitismus für gefährlich haltet, daß Ihr beides keineswegs legitimieren wollt. (‚Problematisch‘ ist anscheinend ein von Euch gern verwendetes Wort. Vgl. ‚differenzieren‘) Also, da muss man schon noch mal drüber nachdenken. Bis Ihr mit diesen äußerst komplexen Gedankengebäuden fertig seid, spielt Ihr in Euren Küchen fürs Volk schon mal den netten Propaghandi-Song, mit den so schön zum Mitsingen geeigneten Zeilen: „FUCK AMERICANISM, FUCK ZIONISM, FUCK ZIONISM!“. Problematisch, problematisch, da muß man noch mehr differenzieren und noch einmal differenzieren. Aber bis alles ausdifferenziert ist, werden erst mal die Leute rausgeschmissen, die sich an solchen Songs stören, also wir. Diesmal ganz undifferenziert (Die Küche fürs Volk, die diesen Song abspielte hieß Kadterschmiede).
Kein Wunder, daß Euch, angesichts unserer Beschimpfung der Deutschen als dümmstes und mörderischstes Volk, statt einem befriedigten Lachen nur einfällt, uns die Propagierung der Kollektivschuldthese vorzuhalten. Daß die Deutschen sich als das mörderischste Dreckspack erwiesen haben, könnt Ihr wohl kaum bestreiten. Und als die ‚Titanic‘ von den Amis als den Dümmsten sprach, fanden wir das bedenkenswert, einigten uns aber schnell darauf, daß die Deutschen allemal verblödete Amis sind. Weil aber der Unterschied schon so viele das Leben kostete, ist ‚Deckname Dennis‘ leider ein nicht nur lustiger Film.
Kein Wunder genauso, daß Ihr, hoch verehrte Damen und Herren des Infoladens, jeder Vermengung der Diskussionen um autoritären Feminismus und Antisemitismus ablehnt und das, obwohl die beliebteste Parole der linken Feministinnen und ihres noch schlimmeren männlichen Anhangs von den Rechten geklaut wurde: „Opferschutz statt Täterschutz!“ Erinnert sich jemand von Euch noch daran, als angeblich systematische Massenvergewaltigungen im Bosnienkrieg dazu führten, daß die Feministinnen der Grünen für die Bombardierung der Sittenstrolche plädierten, die diesmal Serben hießen. Weiß jemand von Euch, daß eine der Hauptszenen im Nazifilm ‚Jud Süß‘ die Vergewaltigung einer unschuldigen deutschen Frau durch einen Sittenstrolch, diesmal ein Jude, zeigt? Damit ist noch nicht gesagt, daß alle Feministinnen rechts sind, aber genauer hingucken sollte man und frau doch schon einmal, wenn Deutsche sich für die Rechte von Frauen oder Kindern einsetzen.
Wie auch immer, Ihr habt ja recht, daß wir, im Gegensatz zu Euch, die ihr nur relative und subjektive Wahrheiten kennt (wieder so ein seltsamer Unsinn), tatsächlich die objektive Wahrheit verkünden. Kein Staat Palästina ist eine banale Schlußfolgerung aus dem, was die bereits existierenden arabischen Diktaturen mit ihrer Bevölkerung anstellen und was etwa die Taliban in Afghanistan für grausige Verbrechen begehen. Diese halten wir nicht für diskutierbar und eine Kritik daran somit für eine Wahrheit von Gott. Weil Ihr aber noch nicht mal solch einfache Dinge klar auszudrücken vermögt, so tut Ihr uns auch ein wenig leid. Ihr seid auf ewig dazu verdammt, zwischen schwachsinnigen Plakaten und beklecksten Wänden Kicker zu spielen, vegane Voküs zu mampfen und Kritiker rauszuekeln, die die auch für euch unerträglichen Zustände denunzieren. Ein wahrlich schauerliches Hamsterrädchen. Ihr seid dazu verdammt, euch spätestens dann, wenn Arafat vom Terroristen-Boß zum Staatschef mutiert und Palästina eine völkische Diktatur ist, schuldig zu fühlen, und weiter zu problematisieren und zu differenzieren. Aber vielleicht drückt uns die eine oder der andere wenigstens heimlich die Daumen, daß wir das irgendwie doch noch deichseln mit dem Kommunismus. Es wäre ja auch in Eurem Interesse, doch noch ein Leben vor dem Tod zu haben. Statt Eintopf in der Küche des Volkes gäbe es dann Gourmet-Küche der Extraklasse. Vielleicht ahnen einige von Euch, daß wir selbstverständlich recht haben mit unserer Kritik und daß dies nicht daran liegt, daß wir extraschlau sind, sondern daran, daß wir Trivialitäten ausplaudern, während sich die deutschen Linken so unglaublich dumm stellen. Vielleicht findet es jemand von Euch ja auch langweilig, wenn immer nur die „nicht diffamierende“ Kritik differenzierender und meist etwas stotternder Gruppen erlaubt ist. Vielleicht ist das auch der Grund, warum unsere Flugblätter durchaus öfter gelesen werden, als der Rest. Vielleicht, Vielleicht…
Soweit, so gut. Wir trinken weiter exzellenten, durch unsere Spekulationsgewinne finanzierten Rotwein von den von der Sonne reichlich beschienenen israelischen Golanhöhen, und erheischen mit etwas Glück einen Hauch davon, wie es einmal sein könnte.
Hochachtungsvoll, Eure Antideutschen Kommunistinnen Berlin (Herbst 2001)
(Alle kursiven Zitate vom Infoladen Daneben)
P.S.:
Ach ja – der Hauptgrund, warum wir unsere Post nicht bei Euch im Daneben abholen dürfen, ist unsere Zusammenarbeit mit den Sittenstrolchen von der Zeitschrift Bahamas. Deren Polemik sei „Absolutheit und Diffamierung … immanent“ (Es gibt auch Studierende bei Euch und ‚immanent‘ ist ein schönes Wort) Jeder weiß, daß ohne Wahrheitsanspruch die Bourgeoisie nicht zu enteignen sein wird. Klar dürfte sein, daß die Verhältnisse momentan nur mit Polemik und Diffamierung kritisiert werden können, weil sie eigentlich unter aller Kritik sind. Klar außerdem, daß die Linken in ihren größten Teilen tatsächlich so Verwoben in die Verhältnisse ist, wie der Infoladen Daneben behauptet und auch ihr deshalb nur mit – zugegeben mehr oder weniger gelungener – Polemik beizukommen ist. Jeder weiß außerdem, daß die Linken in Deutschland nicht einmal davor zurückschrecken mit den Grünen, den Gewerkschaften und der SPD oder der PDS ein Bündnis einzugehen. Wer mit solchen Verbrechern paktiert ist verwoben in die Taten dieser Bündnispartner, wie Euer armer Infoladen und hat das Recht verwirkt, ernstgenommen zu werden. Wir wissen nicht, ob Ihr auch mit den Regierenden kollaboriert, sind uns aber sicher, daß keine Antifa einen Plenumsraum oder ein Postfach verweigert bekommt, weil sie es tut. Haltet also bitte das Maul, wenn Kommunistinnen mit Kommunisten zusammenarbeiten, um endlich die Verhältnisse abzuschaffen, die u.a. die Rigaer Straße hervorgebracht haben.