Sechs kurze Überlegungen zum aktuellen Stand
Weiterer Vortrag der Vorstellung des Erregers
I. Zur Wiederkehr des Verdrängten
Das Leben in den heutigen Gesellschaften erscheint als eine ungeheure Erregeransammlung, das SARS COV 02 Virus als seine Elementarform. Das Virus ist zunächst als ein Zusammenschluss von Proteinen zu Nukleinsäuren als ein biologisches Phänomen, als Teil der ersten Natur, zu betrachten. Wiederum besitzt es für die Menschen eine soziale, eine psychologische Seite. Kurz gesagt; es ist eine Pathologie, eine Störung, ein gradueller Unterschied zum Gesunden, denn das Kranke ist nach Freud im normalen bereits angelegt. In der Massenpsychose jedoch steht plötzlich alles auf dem Kopf: Die Störung ist der Normalzustand, das Kranke ist das Asymptomatische und Solidarität bedeutet Vereinsamung.
Der psychoanalytischen Lehre nach sind die Krankheiten verdrängte Wünsche, die sich auf entstellte Weise ihren Weg aus dem Unbewussten zurück ins Bewusstsein bahnen. Daher auch die Ahnung, dass das Virus vorher schon dagewesen sei, es existierte im kollektiven Unbewussten, in den Falten und Ritzen der Zivilisation. Die verdrängte Gewalt der postbürgerlichen Zeit, die durch den materiellen und sexuellen Existenzkampf begründet wird, kehrt in der seuchenartigen Natur zurück. Sie ist somit nur das angemessene Symptom der Logik des Warentauschs.
II. Warengesellschaft und Naturbeherrschung
Die Warengesellschaft produziert die Krankheiten aus sich selbst heraus. Bei der Suche nach sinnloser Verwertung ihrer Lebenszeit müssen die überflüssigen Menschen ihre Regungen beschneiden, verstümmeln, manipulieren und unterdrücken. Die Sehnsucht nach Freiheit unterliegt dem Tauschprinzip, das Streben nach Glück ist äquivalent zum Konsum und endlich ist der Mensch dem Mensch ein Virus.
Die Mystifikationen lassen das Gesellschaftliche am Virus verschwinden, es erscheint ausschließlich als beängstigendes Naturwerk. Daher auch der Imperativ zur bedingungslosen Unterwerfung: möge derjenige, der sich unterordnet, vor der Rache einer unbarmherzigen Natur verschont bleiben. Die Idee einer Versöhnung des Menschen mit seinem eigenen Naturhaften, seinem Leib und seinen Trieben, scheint in endlose Ferne gerückt zu sein.
III. Das Zeitalter der Biologie
Die zergehende Epoche der Physik war nahezu gleichzusetzen mit der industriellen Revolution, die ihre Denkmäler auf Kohle, Stahl und Dampf aufbaute. Doch die Nutzbarmachung stieß schließlich an eine äußere Grenzen, deshalb wendet sich nun die Beherrschung nach Innen: Das Zeitalter der Biologie beschleunigt sich. Das Rad des Fortschritts dreht sich nun durch Genmanipulation, durch Kontrolle der Reproduktion und Sexualität, durch Psychotechniken und Psychosubstanzen, plastische Chirurgie, etc. Die nicht rationalisierbare Natur kehrt mittlerweile ausschließlich in Gestalt der Naturwissenschaften wieder, ganz besonders im Willen ihrer biotechnologischen Beherrschbarkeit. Hingegen befassen sich die Gesellschaftswissenschaften nicht mehr mit der Freilegung des kulturell Unbewussten: Jeder kritische Biomachtkritiker verwandelte sich plötzlich zum Seuchenpositivisten.
Die anti-pandemischen Maßnahmen haben das Ziel jenes einzufangen, was inkommensurabel ist. Sie sollen durch den Impfstoff oder den zwangsneurotischen Hygieneschutz den widergekehrten Schmerz der Zivilisation erneut vergessen machen. Aufgrund der die Pathologien begründenden Warenlogik, kann auch eine individuelle Behandlung nicht die Lösung der Seuche sein, sondern führt nur zu ihrer erneuten Verdrängung.
IV. Das integrierte Spektakel
Die genauen Ursprünge des Virus bleiben bisher im Geheimen. In der aufziehenden geopolitischen Konfrontation wird auch ein wissenschaftlicher Ursprung als nicht mehr allzu unwahrscheinlich in Betracht gezogen. Die totalitäre Volksrepublik China hat den Lockdown zwar erfunden, aber im Westen eingeführt, wurde er zuerst von Italien. Der Hausvirologe des Imperial College London Niall Ferguson lobte die Vorreiterrolle Italiens: „Wir dachten, wir könnten damit in Europa nicht durchkommen… Und dann hat Italien es getan“. An der Authentizität der virtuell vermittelnden Bilder aus Bergamo konnte es fortan keinen Zweifel geben.
Ende der 1980er wurde Italien von Guy Debord weitsichtig als Ort einer neuen Metamorphose des Spektakels betrachtet. Nachdem Deutschland und Russland Geburtshelfer des konzentrierten Spektakels in Form des totalitären Staatskapitalismus waren, die USA das diffuse Spektakel als westlich-liberale Marktwirtschaft verbreitete, sollten Italien und Frankreich für die Entstehung des integrierten Spektakels stehen. Die Grundlage dessen bildet Italiens schwache demokratische Tradition, die staatliche Anti-Terrorbekämpfung, die Eingriffe der Europäischen Union, die offene Korruption der Eliten und das Geschwür mafiöser Einflußnahmen auf Alltag und Politik. Der Stiefel im Süden nimmt als Experimentierfeld geradezu einen avantgardistischen Charakter im fortschreitenden Selbstmord des Westens an.
Der deutsche Staat und sein Volk hatten also bei der Durchsetzung des Neuen gebummelt, wie unsere Direktorin Merkel sagen würde. Erneut mussten die antinational- und antideutsch Gesinnten eine Kränkung verkraften, nachdem das Land schon kein IV. Reich wurde (wie man -nicht zu Unrecht- in den 1990ern noch befürchtete). Ganz im Gegenteil, vom wiedervereinigten Deutschland wurden die beiden staatsantifaschistischen Grundlügen der DDR und BRD synthetisiert: Im Osten war der herrschende Partei- und Staatsapparat der Garant, dass der Rückfall in den Faschismus verhindert wurde. Und im Westen hatte man nach einigen anfänglichen Begriffsstutzigkeiten die Vergangenheit derart bewältigt, dass man als „Erinnerungsweltmeister“ wieder im imperialen Mächtekonzert mitmusizieren durfte.
V. Techniken der Umleitung
Der ursprüngliche Stachel der Ideologiekritik, der einst auch in der Antifa Bewegung steckte, wurde von der Herrschaft gebrochen, indem er integriert, umgeleitet und abgeschliffen wurde. Der Staat und die Medien, die neue Mittelklasse und die Manager-Elite haben sich sichtbar einen guten Teil der freigewordenen Radikale zu eigenen gemacht, in der direkten Verstaatlichung, der medialen Konsensfabrik oder den Techmonopolen. Dies ist natürlich kein Schicksal dieser Fraktion allein, sondern betrifft die „Neue Linke“ im Gesamten. Ihre Adepten haben sich endgültig in die linke Hand des Kapitals verwandelt.
Eine Reinform findet die derzeitige staatsantifaschistische Umleitung in der Propaganda eines Klimaholocaust oder der Pandemie als Genozid. So soll sie mit Schweigeminuten und Denkmälern versehen werden, wobei jeder Zweifler zum Leugner verbrämt wird.
Bekanntlich ist es für die plaudernde Klasse (chattering class) von der Leugnung bis zum Nachdenken über Alternativen, bis zur Verschwörungstheorie nicht weit. In einer ewigwährenden Gegenwart sind natürlich die aufgedeckten Verschwörungen der Vergangenheit vergessen, von Troja bis zum Reichstagsbrand.
Die schleichende Transformation der bürgerlichen Demokratie zur Technokratie lässt die alten politischen Gepflogenheiten des Feudalismus, des Hofes und seiner Geheimdiplomatie zurückkehren. Deshalb ähnelt Politik immer stärker einer Verschwörung der Mächtigen. Es waren die berüchtigten Protokolle von Zion, die vom Zarenregime und seiner Geheimpolizei zur Brechung der Kritik an der Autokratie fabriziert wurden. Dahingegen ist das Phantasma der jüdischen Kabale durch die Faszination für die satanische Magie der Gottesmörder oder die Kraft des Geldes, die von Juden kontrolliert wird, gekennzeichnet. Auf einer herrschaftskritischen Ebene könnte man sagen, es findet eine vollendete Personalisierung abstrakter Zwänge statt, Zwänge, wie der zur Weiterverwertung in der Konkurrenz. Die Machthaber werden sich vom Theoretiker also als das Absolute imaginiert. In der antisemitischen Verschwörung erscheint die Geschichte der Klassenkämpfe ausschließlich als Werk einer übermächtigen Gruppe, wobei der Kampf einzelner (Kapital)fraktionen stillgestellt wird. In dieser Hinsicht hat Elsässer mehr mit Hengameh gemein als beiden bewusst sein dürfte: Im Fall der postmodernen Linken werden die Konturen des Absoluten, d.h. des Zeitlosen, Abstrakten, Unauthentischen und Uneigentlichen auf die Figur des alten weißen Mannes übertragen.
VI. Das Ende einer Kritik
Die Ideologiekritik hatte zwei Aspekte hervorgekehrt, die sich nun selbst wiederum in blinde Affirmationen verwandelt haben. Hier, die Kritik der Warengesellschaft als anonymes Herrschaftsverhältnis: mittlerweile ist sie zerflossen zum namenlosen Strukturalismus, für den es keine Subjekte, keine Interessen weder Herrschende mehr gibt, darum mutet ihnen jede Kritik an den politischen Eliten als falsche Personalisierung, als Verschwörungstheorie an.
Dort, das liberale Erbe des Bürgertums, welches sich durch Marx Denken zieht. Es gab eine Zeit da war die Ideologiekritik ein Hammer mit dem der völkische Antiimperialismus und der islamapologetische Kulturrelativismus zertrümmert wurde. Doch das verratene Versprechen der bürgerlichen Emanzipation und der Countdown zur immanenten Selbstzerstörung der Warenrationalität wurden in der Folge abgespalten. Kennzeichen des Verfalls sind mittlerweile der abgeschmackte Konsumhedonismus, das stumpfsinnige Vertrauen in eine Interessenslosigkeit der Wissenschaft, der passive Glaube an den guten Willen der Pharmaindustrie und des Sozialstaates. Hier liegt die Crux für den Umschlag in ein neurotisch-paranoides Bewusstsein begründet, dass alle Muffel zu Feinden des Fortschritts in der Maskenrepublik erklärt.
Jedoch ist das unvermeidliche Zerbrechen kein Grund zur Trauer. Es gibt uns die Gelegenheit, die Splitter und Balken im Auge besser zu sehen und dadurch hoffentlich zur geistigen Antizipation der Revolution vorzudringen.
Norman Raskolnikoff
27.7.2021