Antworten von Void Network auf Fragen US-amerikanischer Genossen
Wie sehr wurden die Grenzen des Aufstands von außen, durch die Macht des Staates, auferlegt?
In Skandalen, der Wirtschaftskrise und internen Konflikten gefangen, ist die Regierung unfähig, aus all den unterschiedlichen Schlägen, die sie einstecken mußte, zu lernen. Eine Elite, die versucht, sich zu benehmen, als ob nichts passiert sei, kann nur verdrängen und den Aufstand der Vergessenheit anheimgeben.
Auf dem Land, in den kleineren Städten und Orten, waren die Einflüsse von außen während des Aufstands viel stärker als in Athen und Thessaloniki. In Patras und in Larisa zum Beispiel, beides größere Städte, die Unruhen erlebt haben, die über Tage hinweg von der Polizei nicht kontrolliert werden konnten, haben kleine, aber gut organisierte Gruppen von Neo-Nazis mit der Aufstandspolizei die Straßen nach jungen Leuten abgesucht und Gruppen von Schülern von den Unruhen bis nach Hause verfolgt, um sie und auch ihre Eltern damit einzuschüchtern.
In den kleineren Orten und Städten sind Undercover-Polizisten von Geschäft zu Geschäft gegangen, um falsche Gerüchte zu streuen, daß wilde Anarchisten aus den großen Städten unterwegs seien, die ihre Geschäfte auf dieselbe Weise zerstören wollten, wie es das Fernsehen bei der übertriebenen Darstellung der Zerstörung kleiner Geschäfte in Athen zeigte. Entsprechend behandelten die Ladenbesitzer junge Leute, Anarchisten und Linke, die auf die Straßen ihrer Kleinstädte gingen, um nichts anderes als Banken, Polizeistationen und Regierungsgebäude anzugreifen, eher wie Vandalen als wie ihre eigenen Kinder. In den meisten Städten hatten die Menschen jedoch während des Aufstands im Allgemeinen die Haltung, daß dies „unsere Kinder“ seien und die Jugendlichen und Genossen brachten auf lokaler Ebene unglaubliche Aktionen zustande.
Der Einfluß des Konservatismus war in manchen rechtsgerichteten Städten ebenfalls stärker. Der Konservatismus, die Kraft, die unser Leben bewahrt, „wie es schon immer war“, unsere Gedanken, „wie wir sie kennen“, und unsere Aktivitäten, „wie wir sie schon immer gemacht haben“, war im ganzen Land für die Aufrechterhaltung der Normalität der stärkste Faktor vor, während und nach den Unruhen.
Viele Menschen waren gegen den Aufstand und sie hatten es auf dem Land viel leichter, ihre Mißbilligung offen und wirksam zu äußern. In manchen Städten war die Mehrheit der Einwohner offensichtlich gegen die „Tendenzen“ der Anarchisten und der Linken. In diesen Städten war es für die kleine Zahl isolierter Beteiligter sehr schwierig, aufständischen Enthusiasmus über mehrere Tage aufrechtzuerhalten, auch wenn es an solchen Orten Tag für Tag über Wochen hinweg weiter Aktionen gab, was zeigt, daß die Leidenschaft für Freiheit keine Angst vor einer autoritären konservativen Mehrheit hat.
Die Macht des Staates lag vor allem in den Radiointerviews, den Fernsehprogrammen und bei der Aufstandspolizei in den Straßen. Die Arbeit des Staates bestand darin, Rechtfertigungen anzubieten, die konservativen Verteidigungsstrategien der Gesellschaft zu stärken und mit Bestimmtheit mitzuteilen, daß sich nichts ändern wird. Außerdem mußte er das völlige Chaos unterdrücken, ohne noch einen Toten in den Straßen zu haben. Es war entscheidend, daß sie dies gemacht haben, ohne die Stadien mit Tausenden Gefangenen zu füllen, um keine Bilder einer Diktatur mitten im Spektakel des gesellschaftlichen Lebens zu erzeugen.
Die Arbeit der Massenmedien, als Teil des Regimes, bestand darin, vereinfachende Erklärungen für die „Kinderrevolte“ anzubieten, deren Eltern nicht zu befremden, zu vermeiden, ernsthaft über die bestimmten Gründe zu sprechen, die hinter vielen Zielen der Angriffe und Brandanschläge lagen, die schlimmsten Befürchtungen der konservativen Mehrheit zu nähren und die Anarchisten als irrelvant für das ganze Phänomen darzustellen. Auf diese Weise erzeugten sie die Trennung zwischen guten Kindern und bösen Anarchisten, Einwanderern, Radikalen, Extremisten – Kriminellen.
Wie sehr lagen die Ursachen für die Grenzen bei den Teilnehmern selbst?
In den großen Städten und vor allem in Athen und Thessaloniki hatte die physische Erschöpfung einen starken Einfluß, Erschöpfung nach all diesen Tagen voller Tränengas, des Umherrennens im Stadtzentrum, den stundenlangen Versammlungen und all den direkten Aktionen, dem Bauen und Verteidigen von Barrikaden und befreiten Zonen, dem Angreifen und Anzünden, dem Bekämpfen der Aufstandspolizei, der Undercover-Polizei und der Neo-Nazis, was sich alles über riesige Teile der Stadt zog… Jeden Tag und jede Nacht. Die Jungen und Mädchen, die tagelang in den besetzten Universitäten übernachteten, zeigten eine heldenhafte körperliche Stärke.
Als die Schulen wieder geöffnet wurden, mußten die Schüler wieder zurück in den Unterricht. Drei Wochen nach dem Beginn der Revolte fiel den Studenten ein, daß sie ein ganzes akademisches Jahr verlieren könnten, falls die Besetzung der Universität nach Weihnachten weiter ginge. Nach drei Wochen gingen die Studenten immer weniger auf die Straße. Zufrieden mit der fantastischen persönlichen Erfahrung einer Revolte und der Rache gegen den Staat waren sie des Straßenkampfs müde geworden. Auch von ihren Eltern wurden sie zurück in die Normalität gedrängt. Die Schüler und Jugendlichen, die nicht politisch organisiert waren, verloren das Zusammengehörigkeitsgefühl der ersten Wochen und fingen wieder an, ihre Skepsis gegen die Haltung, Entscheidungen, Initiativen und politischen Analysen der Anarchisten zu äußern. Viele nahmen weiter an verschiedenen Aktionen teil, aber sie fingen an, auf Distanz zu den zentralen Besetzungen und Krawallen zu gehen.
Und auf die Arbeiter warteten ihre Jobs. Die meisten Beteiligten mußten den ganzen Tag arbeiten und beteiligten sich dann am Nachmittag und abends an den Aktionen, wobei auch sie eine erstaunliche körperliche Stärke zeigten. Der schlimmste Moment bei der Versammlung der Besetzung der Allgemeinen Konföderation der griechischen Arbeiter kam, als die aufständischen Arbeiter sich dagegen aussprachen, viel Zeit mit der Ausarbeitung einer tieferen Analyse zu verbringen, weil sie schlafen gehen mußten, um am nächsten Tag arbeiten zu können. Arbeit war eine Einschränkung vor, während und nach dem Aufstand.
Nach dem dritten Tag mußten die Einwanderer, viele ohne Papiere, einen starken Rückschlag durch die Polizei und in der öffentlichen Meinung hinnehmen. Die Suche nach ihnen durch die Polizei setzte sich die nächsten Monate fort und im folgenden Sommer wurden Tausende sogenannter illegaler Einwanderer festgenommen.
In dem Netzwerk der Versammlungen und Diskussionen kamen all die verschiedenen Fragen, Debatten und endlosen Streitigkeiten wieder auf, die den radikalen Raum in Griechenland kennzeichnen. Viele davon nahmen die Gestalt ausschließender Dichotomien und Feindschaften an, zum Beispiel Linke gegen Aufständische, Anti-Autoritäre gegen Anarchisten, Künstler gegen Anti-Künstler, Journalisten unabhängiger Medien gegen Anti-Medien-Aktivisten, direkte Aktion gegen politische Botschaft, Naive gegen Extremisten, Hooliganismus gegen Staatsfeindlichkeit, Staatsfeindlichkeit gegen Kriminalität, Anarcho-Kommunismus gegen Post-Anarchismus, Junkies gegen ernste politische Revolutionäre, Plündern gegen Anzünden und so weiter. Viele Leute spürten das und versuchten, dies bewußt zu bekämpfen. Aber ab der dritten Woche waren viele der Debatten lange und mühselige Ablenkungen von der Enttäuschung geworden, die wir fühlten, als wir erkannten, daß sich nicht die ganze Gesellschaft erheben würde, wie es viele Menschen in den ersten Tagen erhofft hatten.
Eine große Niederlage kam schon früh, als die Gewerkschaftshierarchie entschied, den landesweiten Generalstreik abzusagen, der für den 10. Dezember geplant war. Dieser Streik war schon lange vor Alexis’ Tod angekündigt gewesen, aber sie bliesen ihn ab, um eine Verallgemeinerung des Aufstands zu vermeiden. Die historische Begegnung mit der Arbeiterklasse war wieder einmal gescheitert. Trau niemals den Arbeitern. Die „Arbeiterklasse“ folgt ihren Führern, ihren Parteien, ihren eigenen gewerkschaftlichen Institutionen, Vereinen und Organisationen, ihren eigenen Idolen und Geistern. Die Arbeiter, die Bauern, die Kleinbürger taten alles in ihrer Macht Stehende, um dem Regime das Überleben zu ermöglichen und wieder überall Normalität herzustellen.
Ihr seht also, die Normalität zeigte sich nicht nur außerhalb von uns, sondern versteckte sich auch in uns.
Die Unterwerfung der Mehrheit unter den Status quo und die gewohnten repetitiven Verhaltensweisen bei der Arbeit und beim Konsum hat Millionen von Menschen von den Straßen ferngehalten. Die Unfähigkeit des Aufstands, die Gründe für die Aktionen politisch zu erklären und diese Erkenntnisse so stark auszuweiten, daß sie die Probleme der einfachen Menschen erfassen, war ein Versagen, das verhinderte, daß die ganze Gesellschaft explodierte und die Revolte aufnahm, sie mit ihren eigenen Entscheidungen und Aktionen fortzusetzen.
Natürlich waren die Menschen auch nicht zu einer Änderung der Gesellschaft bereit, nicht einmal dazu, sich generell mit ihrer eigenen Wirklichkeit auseinanderzusetzen. Der Tod von Alex schlug wie Donner in ihre erbärmliche Lage ein, aber die meisten von ihnen waren unfähig, zu verstehen, was ihre eigenen Kinder, ihre Freunde, ihre Nachbarn dazu brachte, zu revoltieren. Die Gesellschaft konnte es spüren, die Menschen konnten Verständnis äußern, aber sie waren nicht bereit, dies in eine politische Konfrontation mit dem Regime zu übersetzen.
In einer aufständischen Denkweise können wir sagen, daß nun, nach dem Aufstand, das Bewußtsein von Millionen Menschen einen Schritt nach vorn gemacht hat. Und dies ist der größte Erfolg der Bewegung. Der Aufstand öffnete Horizonte. Viele Dinge, die in Zukunft geschehen werden, hätten vor Dezember nie geschehen können.
Die Tausenden von Menschen, die sich beteiligt haben, boten den anderen, der schweigenden Mehrheit, eine Einladung. Wenn dieses Schweigen in deinen Ohren dröhnt, als Echo von den Straßen einer überfüllten Stadt, die nach vier Wochen endloser Unruhen und allen möglichen Aktionen wieder in den Normalzustand zurückkehren will, dann zwingt dich eine innere Stimme, dir all die Inspiration und Erfahrung, die du für dich gewonnen hast, zu schnappen, zu deinem Kollektiv zurückzukehren und den Kampf von dort fortzusetzen.
Sogar angesichts der Zerstörung fast aller Märkte, entwickelte die Gesellschaft ein eigenartiges Verlangen, Weihnachten als eine Art Pseudo-Fest zu feiern. Obwohl die Mauern der Stadt mit dem Spruch „Weihnachten verschoben, es ist Aufstand“ besprüht waren und obwohl der Rauch des Tränengases und der Geruch der abgebrannten Banken und die Asche der Luxusgeschäfte noch in der Luft standen und alle den Tod von Alexis im Kopf hatten, fand am 25. Dezember Weihnachten genau wie jedes Jahr statt. Der verfickte Bürgermeister verkündete an Silvester auf dem Syntagma-Platz, gleich neben dem nagelneuen Weihnachtsbaum, der diesmal von der Bereitschaftspolizei bewacht wurde, daß wir alle eins seien, daß wir alle gleich und alle glücklich seien! Tausende armer Einwanderer klatschten vor der Bühne in die Hände, obwohl sie kaum ein Wort verstanden. Die drei zentralen Besetzungen in Athen (das Polytechnikum, das Nomiki-Gebäude und das ASOEE-Gebäude) lösten sich ein oder zwei Tage vor Weihnachten auf.
Und um vier Uhr morgens am Neujahrstag gehst du dann mit deinen Freunden durchs Stadtzentrum, und nirgendwo sind mehr Unruhen. Dann willst du alles um dich herum kaputtschlagen und nochmal ganz von vorn beginnen. Ein innerer Instinkt sagt dir dann, daß es noch jede Menge Arbeit zu verrichten gibt, bevor diese Welt explodieren wird … Und der Aufstand setzt seine Reise durch Raum und Zeit fort, aber du spürst, daß etwas fehlt und daß es viele Dinge gibt, um die man sich kümmern muß.
Auf welche Weise waren die Grenzen des Aufstands bestimmt durch Faktoren, die schon wirksam waren, bevor er anfing – zum Beispiel die Infrastruktur der anti-autoritären Gruppen und Projekte und die Kultur des Widerstands in Griechenland?
Seit vielen Jahrzehnten hat sich der kompromisslose Kampf von Anarchisten gegen den Staat und den Kapitalismus hauptsächlich in der Konfrontation mit all den verschiedenen Ordnungskräften und Sparten der Polizei auf der ganzen Welt geäußert. Diese Konfrontation fand statt mit den lokalen Abteilungen der Polizei in Prag, Seattle, Genua, Thessaloniki, Maastricht, Nizza, Rostock, Berlin, Kopenhagen, Paris, Cancun, Santiago, Buenos Aires, San Francisco, Mexiko City, Hamburg, St. Paul, Turin, Johannesburg, Miami, Seoul und an vielen anderen Orten. Da der Staat keine Burg ist, ist die Polizei natürlich auch nicht der wichtigste Wächter des Staates. Gesellschaftliche Apathie, Gewohnheit, das Akzeptieren der Situation und die Angst vor Veränderung sind vielleicht stärkere Beschützer des Staates als sogar die Armee. Und die Genossen in Griechenland wissen das sehr gut. Aber während der „Tage für Alexis“ war die Polizei das Hauptziel der Angriffe. Die Gründe dafür leuchteten dieses Mal sogar den Konservativen ein. Der Kampf war sogar für die Reformisten gerecht. Der anarchistische gesunde Menschenverstand war sich ausnahmsweise mal mit dem gesellschaftlichen gesunden Menschenverstand einig. Unglücklicherweise ist der gesunde Menschenverstand ein großes Hindernis auf dem Weg zur Weisheit.
Genau dieses Ziel des Kampfes, die Polizei, war auch die stärkste Einschränkung für die Ausweitung des Aufstands in einen allgemeinen gesellschaftlichen Aufstand. Für die meisten normalen Leute war die Polizeibrutalität das Ziel dieses Kampfes, und die Anarchisten, seit Urzeiten gewohnt, gegen die Polizei zu kämpfen, kämpften am härtesten neben den Menschen, die ihre Wut auf die Polizeibrutalität äußern wollten, sie kämpften zusammen mit ihnen und manchmal folgten sie ihnen sogar.
Aber im allgemeinen waren sie unfähig, die Mehrzahl der Menschen zur völligen Negation der Wurzeln des Regimes und zu seinen wahren Ursachen und zu den Ursachen all der anderen Morde, die der Staat und der Kapitalismus begehen, mitzunehmen. Die meisten Menschen waren noch nicht bereit, eine Reise zu den Wurzeln ihrer Versklavung anzutreten. Die Gesellschaft war noch nicht bereit, ihrem eigenen Versagen im hellen Licht des Aufstands ins Gesicht zu sehen.
Die meisten Menschen in diesem Kampf erweiterten den Dialog auch nicht so, wie es nötig gewesen wäre, um alle Aspekte des alltäglichen Lebens zu umfassen. Von den Hunderten an Kommuniqués, die verbreitet wurden, konnten nur wenige eine wirklich anregende politische Erklärung und eine tragbare organisatorische Lösung bieten. Die Kleingruppen und die Inititativen waren in der Lage, in hoher Qualität eine Analyse der Bedingungen und eine harte Kritik des Regimes zu bieten, aber sie hatten nicht genug Erfahrung, um Begeisterung für einen gesellschaftlichen Sieg anzubieten, Visionen einer Welt, die aus der Asche der alten Welt hervorgehen könnte, praktische Fluchtwege aus einem Neoliberalimus in schwerer Krise, Eindrücke aus der Zukunft, von der wir träumen, ausführbare Pläne, um den Kampf fortzusetzen, nachdem schon alles zerstört und abgebrannt ist.
So gab es, als die Wut nachließ, keine tragfähigen Antworten, was denn nun als nächstes kommen sollte. Nicht einmal in unseren verrücktesten Träumen ist auch nur einer von uns so weit gekommen. Wie Schatten sind wir tagelang in unseren Kämpfen umhergegangen und haben uns, im Rauch des Tränengases, Gedanken nur über den jeweils nächsten Schritt gemacht.
Wer hat die geeigneten Antworten? Wer kann diese Geschichte überhaupt erzählen? Wer kann Lösungen und Antworten für den Weg zum allgemeinen gesellschaftlichen Aufstand anbieten? Niemand wollte die Gesellschaft verpflichten, weiter zu gehen, und den Anarchisten mißfällt diese Rolle ohnehin immer. Vier Wochen nach der Ermordung von Alexis wußte jeder, daß dies keine Revolution ist, und so lieferte niemand genaue Antworten, was wir tun müßten, um weiterzugehen. Was hätten wir tun können, um ein Ende der Unruhen aufzuhalten? Sind die immerwährenden Unruhen der Weg zum gesellschaftlichen Aufstand?
Viele Menschen, die an dem Aufstand teilgenommen haben, sagen, daß er nie zu Ende ging. Darin liegt unserer Ansicht nach eine große Wahrheit, da Tausende von uns in vielen Projekten, Kämpfen und Versammlungen, die wir nach dem Dezember in all den Städten geschaffen haben, weiter aktiv sind. Für die meisten Menschen ist Alexis immer noch am Leben. In den Kämpfen von heute kannst du ihn mit einem Lächeln auf dem Gesicht hinter den Aktionen, Demonstrationen, schöpferischen Plänen und zerstörerischen Visionen sehen.
Welche Konflikte sind nach dem Aufstand zwischen Gruppen entstanden, die in ihm zusammen gewirkt haben? Gibt es Bündnisse und Verbindungen, die während des Aufstands aufrechterhalten werden konnten, aber seither wieder zerbrochen sind?
Während des Aufstands haben sich viele alte Freunde für immer verloren, und Menschen oder Gruppen, die sich seit Jahrzehnten gehaßt haben, haben in Projekten und Aktionen zusammengearbeitet. Viele alte Gruppen haben sich in etwas völlig anderes verwandelt, und viele neue Kleingruppen haben sich gegründet. Da sich die meisten griechischen Anarchisten gegenseitig nicht mögen und die Menschen und Gruppen starke Differenzen trennen, kann niemand definitiv sagen, was passiert, und niemand weiß wirklich, was von wem vorbereitet wird. Dies völlige Fragmentierung ist in Zeiten des „sozialen Friedens“ sehr nützlich, da sie eine große Vielfalt an Meinungen, Analysen und Initiativen hervorbringt. Die Polizei kann die Bewegung nicht infiltrieren, da so etwas gar nicht existiert. Es gibt Aberhunderte Gruppen, Menschen, die sich seit vielen Jahren kennen und sich vollständig vertrauen und verstehen, die sich treffen und dabei wie aus dem Nichts auftauchen und im Nichts wieder verschwinden.
Auf eine gewisse Weise hat diese ganze Fragmentierung die eigenartige Situation herbeigeführt, daß diese ganzen Leute, die sich seit Jahren gekannt, aber niemals miteinander geredet hätten, plötzlich miteinander sprachen, Zeit miteinander verbrachten und Seite an Seite kämpften. Der Dezember hat starke Gefühle der Solidarität und gemeinsame Kämpfe hervorgebracht.
In den ersten Monaten von 2009 fanden fast jeden Tag riesige Versammlungen statt, meistens am späten Nachmittag in den Amphitheatern der Universität. Manchmal beteiligten sich Leute aus der einen Versammlung an der anderen, die davor stattfand, während sie darauf warteten, daß diese zu Ende ging und die nächste anfing. Bei manchen dieser Versammlungen kamen jede Woche 100 bis 400 aktive Menschen zusammen, zum Beispiel bei den Versammlungen in Solidarität mit Einwanderern, in Solidarität mit den Gefangenen des Dezembers, bei der Versammlung in Solidarität mit der Arbeiterin Konstantina Kuneva, der Versammlung der Schüler und Studenten, den Versammlungen der aufständischen Ärzte und Pfleger, der aufständischen Künstler, der Versammlung der unbekannten Künstler, der Initiative „Wir, hier und jetzt und für uns alle“, der Versammlung der Arbeiter und Arbeitslosen, beim Initiativkommittee des Stadtteils Exarchia und bei vielen anderen Kommittees in anderen Stadtteilen und auch bei Versammlungen, die in anderen Städten im ganzen Land stattfanden. Und zu all diesen aufständischen Vollversammlungen müssen wir natürlich auch noch die ganzen getrennten Treffen von Kollektiven und Gruppen hinzurechnen, die Teil dieser Vollversammlungen waren.
Während dieser Monate war auf den Mauern Athens ein Plakat mit einem sehr naiven dadaistischen Monster zu sehen, das sagte: „Der Gehorsam hat ein Ende! Das Leben ist magisch!“ Und für viele von uns sprang dieses magische Leben von Versammlung zu Versammlung, bereitete unglaubliche Dinge vor und setzte sie mit all diesen Menschen in die Praxis um. Diese Versammlungen riefen alle möglichen Arten von Aktionen und Projekten und Visionen und verrückten Träume ins Leben, die man hatte, als man fünfzehn war, oder über die man letzte Woche spät nachts sich unterhalten hatte oder die geheime Pläne mit deinem Liebhaber waren und nun wahr wurden.
Die meisten der Initiativen und Versammlungen der Künstler, Romantiker, der nicht-ideologischen Leute und der kreativen Aktivisten schrumpften, verloren die Begeisterung der ersten Woche und wurden kleinere, aber beständige kreative Gruppen. Unterschiedliche Gründe zwangen die Leute aus diesen Versammlungen, sich wieder in ihre individuelle Kreativität zurückzuziehen, aber viele Gruppen widmen sich immer noch ihren Projekten.
Im Verlauf der Wochen, als die Menschen sich immer näher kamen, tauchten die alten Konflikte, die Unterschiede, die verschiedenen politischen Standpunkte und die verschiedenen Bedürfnisse, Erwartungen, Strategien und Vorgehensweisen wieder auf. Dies brachte die alten Trennungen und die alten Debatten wieder an die Oberfläche und zeigte, daß die Unterschiede nicht nur flüchtige Mißverständnisse waren oder aus persönlichem Mißtrauen rührten, sondern tief in der Analyse und in langlebigen Unterschieden in der Praxis und der Denkweise lagen.
Sehr interessant war, daß neue Arten, sich zu organisieren, auftauchten, obwohl die meisten dieser Vollversammlungen sich spalteten oder immer weniger Leute anzogen und weniger Macht und Einfluß hatten. Nach Monaten voller Treffen schlug der ganze politische Raum neue Richtungen ein. Die Vollversammlungen waren nicht mehr nützlich, nachdem sich neue Koalitionen, neue Freundschaften und neue Kontakte ergeben hatten. Verschiedene Hausbesetzungen, soziale Zentren und Initiativen bildeten sich nach dem Ende der Zeit der Vollversammlungen. Menschen und Gruppen, die während des Aufstands und der Phase offener Kreativität und massenhafter offener Treffen nach dem Dezember zusammengekommen waren, hatten nun Erfahrung miteinander, sie wußten, ob sie sich einig oder uneinig waren, sie kannten die Richtungen und Strategien jeder Gruppe, und so ergaben sich neue Projekte, Pläne und beständigere Entscheidungen. Auf diese Weise vermieden die Anarchisten und die anderen Aufständischen und radikalen Aktivisten Konflikte. Der Schmelztiegel der Vollversammlungen zerbrach und hinterließ viel wirksamere Treffen, Laboratorien für kreatives Chaos, Hausbesetzungen und direkte Aktionen.
Wie effektiv war die Repression der Regierung hinsichtlich der Schwächung der Bewegungen, die den Aufstand begonnen hatte? Was waren die effektivsten Wege, dieser Repression zu widerstehen?
Ein grundlegendes Kennzeichen des griechischen anarchistischen Raums besteht in der durch den Einfluß aufständischer Praktiken entstandenen Weigerung, sich selbst als eine homogene „Bewegung“ und vor allem als eine Bewegung des „Widerstand“ oder der „direkten Aktion“ zu sehen. Die Idee des direkten Angriffs ist sehr viel einflußreicher. Die Dynamik des Angriffs wird von den Gruppen und Initiativen kontrolliert und nicht durch irgendeinen kollektiven zentralen Entscheidungsfindungsprozess.
Natürlich gibt es in Phasen gesellschaftlicher Mobilisierung wie bei den Demonstrationen gegen die Privatisierung des Bildungs- und Gesundheitswesens oder bei Großereignissen wie dem EU-Gipfel oder dem G-8-Treffen Koordination und Kommunikation zwischen den Gruppen. Aber selbst unter diesen Bedingungen ergreifen die Gruppen und Individuen die Initiative für den direkten Angriff. Das macht die Sache für den Staat und auch für die Menschen sehr kompliziert. Niemand kann entscheiden, was passieren wird, niemand weiß, was geschieht, bevor es tatsächlich passiert.
Der anarchistische Raum hat die Fähigkeit, sehr kraftvoll in Erscheinung zu treten und, für kurze Phasen der Erholung, von der Bühne der Auseinandersetzung wieder vollständig zu verschwinden. Diese kurzen Phasen ohne Unruhen hypnotisieren den Staat und lassen die Regierung glauben, sie habe wichtigere Dinge zu tun. In diesen Phasen der Ruhe ist das Auge der Herrschaft nicht auf die Anarchisten gerichtet. In der Zwischenzeit führen Gruppen von Brandstiftern unaufhaltbare Angriffe gegen alle möglichen Ziele aus. In diesen Phasen garantieren Hunderte von Versammlungen, Ereignissen, Diskussionsveranstaltungen, Filmvorführungen, Gratis-Festivals, Parties, Vorträge, Workshops und öffentliche, nicht auf Konfrontation ausgerichtete Demonstrationen die Sichtbarkeit der Anarchisten, Autonomen und Anarcho-Libertären. Diese ganzen politischen und kulturellen Prozesse sind auch für die nie endende Anziehungskraft auf neue Menschen verantwortlich, die ausgebrannte Menschen an den Frontlinien der Unruhen und bei der Vorbereitung eines neuen Zyklus intensiver Auseinandersetzung durch frische ersetzen.
Es ist wie eine Welle. Wenn sie oben ist, kannst du sie in den Nachrichten, im Fernsehen, überall sehen. Wenn sie unten ist, kannst du sie nicht sehen, aber spüren. Du begegnest der Welle, weil sie auf dich zukommt und sich durch die Initiative Tausender unterschiedlicher Menschen unaufhaltsam fortbewegt.
Von welchen Sachen mußten sich Menschen nach dem Aufstand „erholen“? Ärger mit dem Gesetz? Emotionale Traumata? Erschöpfung?
Es gab kein einziges emotionales Trauma im Dezember. Die Verwendung von Molotowcocktails kuriert die Panik und Angst der Menge und entzieht der Polizei die Kontrolle über die Straße. Als defensives Instrument verwendet, können Molotowcocktails die Aufstandspolizei lange genug fern halten, damit jeder sicher davonlaufen und sich vom Tränengas erholen oder einer Festnahme entgehen kann. Als offensive Waffe zusammen mit Hunderten von Steinen, die aus dem Pflaster gerissen wurden, verwendet, verleihen sie der Menge Mut und verbreiten ein Gefühl gewaltiger Macht und die Überzeugung, daß erstaunliche Dinge vollbracht werden können.
Wie es in einem Spruch vom Dezember formuliert wurde: „Aktionen ersetzen Tränen.“
Viele Menschen beteiligten sich an der Solidaritätsbewegung für die fünfundsechzig Festgenommenen, die zwischen zwei und acht Monaten in Haft waren. Jetzt sind sie alle frei. Die Solidaritätsbewegung, die die Straßen mit gewaltigen Demonstrationen und Gegeninformation einnahm, die gewaltige Solidaritätskonzerte veranstaltete und Rechtsanwälte für die Bewegung organisierte, hat den griechischen Anarchisten deutlich gemacht, daß Solidarität in den kommenden Jahren eine der wichtigsten Vorgehensweisen jeder Bewegung sein muß, die vorhat, sich auf eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Regime einzulassen.
Es gab kein Bedürfnis, sich nach dem Dezember zu „erholen“. Wir müssen auch klarmachen, daß der Aufstand nicht zu Ende ging und vor allem nicht durch Ärger mit dem Gesetz, emotionale Probleme, Erschöpfung oder Repression. Vielmehr hat der anarchistische Raum instinktiv und auf intelligente Weise entschieden, von den Hauptstraßen zu verschwinden und viele andere Initiativen niedriger Intensität in die Praxis umzusetzen, die den Kampf bereichern. Diese weise, der Selbsterhaltung dienende Stadt-Guerilla-Strategie drückt sich auch im Auftreten vieler verschiedener Projekte aus, die nach dem Dezember begonnen haben und nun der „Bewegung“ helfen, in der Gesellschaft und in den lokalen Gemeinschaften tiefer Wurzeln zu schlagen.
Wie hat die Regierung die Erhebung genutzt, um seit Dezember ihre strategische Position zu verbessern? Hätte das verhindert werden können?
Die Regierung hat den Aufstand nicht nutzen können, um ihre Position zu stärken. Das wäre auch schwierig gewesen, da der Aufstand sich über alle gesellschaftlichen Klassen und Hintergründe erstreckte. Nur die Situation der Einwanderer hat sich verschlechtert, da sie einen Rückschlag erlitten und im Juni dem Polizeiprogrom gegen diejenigen ohne Papiere ausgesetzt waren. Die Solidarität mit den Einwanderern war groß, konnte sie aber nicht schützen. Es wird viel Mühe aufgebracht, um die Einwanderer näher an den anarchistischen Raum heran zu bringen, aber diese Aufgabe ist alles andere als leicht. Die Einwanderer haben ihre eigenen Beschränktheiten, ihre eigenen Interessen, ihre eigenen Ängste und Wünsche. Viele von ihnen haben ein sehr schwieriges Leben und sie kommen aus sehr unterschiedlichen kulturellen und politischen oder unpolitischen Hintergründen.
Auf welche Weise hat die Erhebung die Anarchisten in eine stärkere Position gebracht? Auf welche Weise wurde Energie verbraucht, ohne die Anarchisten in eine stärkere Position zu bringen? Sind die Anarchisten auf irgendeine Weise in eine schwächere Position gebracht worden?
Die anarchistische Bewegung in Griechenland hat in den letzten Jahren in dem Versuch, näher an die Gesellschaft heranzukommen, vieles an ihren Vorgehensweisen verändert, um von den Problemen der Menschen zu hören, um eine anti-soziale Haltung zu vermeiden, ohne in Reformismus zu fallen, und um Wege zu finden, an den gesellschaftlichen Bewegungen unserer Zeit teilzunehmen und diese zu radikalisieren. All diese Anstrengungen haben im Dezember Früchte getragen.
Die sozialen Zentren, die in den letzten Jahren in allen großen Städten Griechenlands eröffnet wurden, ob besetzt oder gemietet, boten die beste Vorbereitung, um starke, aktive Zirkel von Kämpfern und Versammlungen zu schaffen, die fähig sind, Analysen und Propaganda hervorzubringen und zu verbreiten.
Die Beteiligung von Anarchisten an den sozialen Kämpfen der Schüler und Studenten während der letzten Jahre war ebenfalls sehr wichtig. Dabei wurden hauptsächlich zwei Strategien verwendet, die je nach den Umständen gewechselt wurden:
1.Abgetrennte, sichtbare anarchistische Blöcke mit Fahnen, Transparenten, Plakaten und Flugblättern.
2.Radikale direkte Aktion, Scheiben einwerfen, Angriffe auf die Polizei mit Molotowcocktails, Stöcken und Steinen.
Auf diese Weise hat der Schwarze Block diese Massendemonstrationen vollständig durchdrungen, selbst wenn nur eine Minderheit teilnahm. Die Übernahme dieser beiden Strategien durch alle Anarchisten, gemäß der Anspannung des gesellschaftlichen Kampfes und der verfügbaren Kraft, hat für verschiedene Genossen eine gemeinsame Basis geschaffen und interne Konflikte beseitigt. Und die Beteiligung der Anarchisten hat diesen gesellschaftlichen Kämpfen Kraft verliehen, ihnen den Respekt anderer politischer Organisationen eingebracht, eine gemeinsame Basis mit vielen unterschiedlichen gesellschaftlichen Subjekten geschaffen und den Anarchisten viele neue Leute gewonnen.
Die Verteidigung von Exarchia und anderen ähnlichen Gegenden in Griechenland als autonome öffentliche Zonen, einschließlich der Straßenecken und einer täglichen Präsenz in „unseren“ Cafés und Bars, bildete einen ständigen Treffpunkt, der die Beziehungen, die Verbindungen und die Koordination der Aktionen bestärkt hat. Die Schaffung anarchistischer besetzter Häuser, sozialer Zentren, besetzter Räume in den Universitäten, Konzerte, Veranstaltungen, Filmvorführungen und Versammlungen lieferten eine tragfähige Grundlage für die Kultivierung anarchistischer Ideen und Praktiken.
All diese Bedingungen sind jetzt, nach dem Dezember, viel kraftvoller. Es scheint somit nicht so, daß man unsere Lage als schwächer einschätzen könnte. So lange wir uns die Fähigkeit bewahren, auf das Herz der Gesellschaft zu hören und ihr Denken zu verstehen, kann der Staat die Anarchisten nicht bezwingen.
Arbeitet ihr seit Dezember mit neuen Menschen zusammen? Mit mehr Menschen?
Viele junge Menschen, die bei den Unruhen mitgemacht haben, vermeiden weiterhin eine politische Beteiligung, so daß du auf den Gratis-Festivals, den Do-it-yourself-Konzerten, den Rave-Parties im Untergrund und sogar bei den Demonstrationen viele neue Leute siehst, aber nicht bei den Versammlungen oder Diskussionen; allerdings scheinen die Jugendlichen der Mainstream-Fernseh-Kultur viel kritischer gegenüberzustehen als noch vor dem Dezember. Auf der anderen Seite gibt es eine ganze neue Generation von jungen Anarchisten, besonders auf dem Land, die politisch aktiv geworden sind. Aber der größte Erfolg des Dezembers liegt darin, daß Tausende, die vor dem Dezember schon Anarchisten waren, aber nichts anderes getan haben, als in Exarchia herumzuhängen oder manchmal auf Demonstrationen zu gehen, jetzt aktiv geworden sind, sie haben Selbstvertrauen gefaßt und organisieren verschiedene Projekte, schreiben Flugblätter, beteiligen sich am Kampf.
Haben sich die Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten verändert? Wenn ihr zum Beispiel mit jemandem uneinig seid, geht dies genauso aus wie vor Dezember oder gibt es mehr Möglichkeiten, mehr Lernen, mehr Solidarität?
Das hat leider viel mit persönlichen Beziehungen und der jeweils lokalen Weise, die Dinge zu analysieren, zu tun. Es ist auf jeden Fall von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Zum Beispiel unterscheidet sich der klassische Konflikt zwischen Alpha Kappa und dem Schwarzen Block völlig von Stadt zu Stadt. In manchen Gegenden sind Leute, die sich sonst gegenseitig hassen, alte Freunde, anderswo organisieren sie Demonstrationen zusammen, in anderen Städten grüßen sie sich nicht einmal. In manchen Städten mögen die Punker den Schwarzen Block, und in anderen Städten prügeln sie sich auf den Plätzen. In manchen Städten hassen die Anarcho-Junkies den Schwarzen Block, in anderen Städten respektieren sie sich gegenseitig. In manchen Städten bekämpfen die Anarcho-Hooligans den Schwarzen Block, in anderen Städten bekämpfen sie die Antiautoritäre Strömung.
Die klassische Technik, um im griechischen anarchistischen Raum theoretische oder praktische Differenzen zu lösen, besteht weiterhin darin, daß zwei Gruppen einen Faustkampf austragen, mitten auf dem Platz oder während einer Party in der Universität oder an irgendeinem Tag, nachdem zwei Leute einen Kampf hatten. Das geht bis heute so weiter wie schon immer. In jeder Gruppe sind immer auch Leute, die versuchen, diese Methode zu vermeiden, aber sie ist noch weit verbreitete Praxis. Allgemein gesprochen hat der Dezember allen möglichen Gruppen einen Vorwand geliefert, den Geist und die Bedeutung des Aufstands auf ihre je eigene Weise zu erklären. Alle finden im Geist des Aufstands die uneingeschränkte Bestätigung ihrer eigenen Überzeugungen und Schlüsse. Auf lange Sicht führt dies vielleicht zu einer größeren Uneinigkeit als zuvor. Im Moment jedoch versuchen viele Leute, Brücken zu bauen und die zwischenmenschliche Kommunikation zwischen unterschiedlichen Leuten und theoretischen Strömungen offenzuhalten.
Gibt es irgendwelche Schwächen, die die Bewegung sich weigert, zu betrachten?
Ja, offensichtlich gibt es viele Schwächen, denn, wenn sie nicht existierten, hätten wir die „Revolution“ zu Ende gebracht. Aber haben wir die Zeit, um über unsere Schwächen nachzudenken, unsere Konflikte zu lösen, unsere Überzeugungen aufs Neue zu prüfen und unsere Strategien anzupassen? Leider wurde der Egoismus mancher Genossen nach der Selbstbestätigung durch den Dezember nur noch größer, und so ist es schwieriger geworden, auf Schwächen zu schauen.
Andererseits liegt ein großer Unterschied zwischen der griechischen Bewegung und, zum Beispiel, der Bewegung in den USA darin, daß wir nicht so viel Zeit darauf verwenden, unsere Niederlagen zu analysieren, wir sprechen über unsere Probleme nicht im Radio, in den Zeitschriften, Zeitungen oder Büchern. Wir betonen unsere Unfähigkeiten nicht zu sehr, und natürlich schreiben wir keine Bücher, Flugblätter oder Postings im Internet über unsere internen Konflikte und unsere verschiedenen Ansichten zu einem bestimmten Thema. Auf eine gewisse Weise ist das viel besser so. Die Schwächen einer Bewegung stehen nicht in Büchern oder im Internet, sondern man begegnet ihnen auf der Straße, hinter den Barrikaden, am Rande der Versammlungen oder du sprichst an den Straßenecken über sie, spät in der Nacht, betrunken, von Angesicht zu Angesicht mit deinen Freunden und Genossen.
Wo, glaubt ihr, wird die Bewegung in einem Jahr sein?
Sie wird in vielen neuen besetzen Häusern und in den alten sein. In neuen sozialen Zentren und auf den selben alten Plätzen, den alten Cafés und neuen Kneipen von Freunden und Genossen, Orten, an denen man sich sicher fühlt, an denen man über alles reden kann. Sie wird in den Tavernen sein, wo sich alle gemeinsam betrinken, Mut gewinnen für nächtliche Angriffe auf Einheiten der Aufstandspolizei in der ganzen Stadt. Sie wird die Neonazis durch die Straßen jagen, um sie zu ficken. Wo glaubt ihr, wird die Bewegung sein?
Sie wird sich in einem Krieg gegen die Apathie, die Dummheit und den Defätismus befinden. Sie wird bei Brandanschlägen gegen alle Arten von Zielen sein, die Staat und Kapital treffen. Sie wird auf Gratis-Festivals und verrückten Parties rund um die Uhr sein, sie wird betrunken sein und glücklich Sex haben oder einen neuen Freund finden. Sie wird im Lächeln eines vermummten Jungen sein und in den Händen eines Mädchens, das Steine auf Polizisten wirft. Sie wird im ganzen Land sein, auf den Plakaten an den Wänden, in den Kommuniqués, den Büchern, den Hunderten neuer Blogs, die die neuen Aktionen besprechen. Sie wird in all den Graffiti sein, in einem eingekreisten „a“, im Hausbesetzersymbol, im Symbol für Chaos, im Symbol für Entropie, im Symbol für Leere oder einfach in deinem Tag, deinem Namen, der „Fuck the police“ bedeutet… Sie wird im Herzen von Tausenden neuer Menschen auf der ganzen Welt sein, und sie wird immer noch hier sein, an der selben Stelle, an der der Staat Alexis ermordet hat, und sie vor dem starken Geruch der Polizisten beschützen.
Ist die Bewegung seit Dezember mehr oder weniger arrogant geworden?
Im Griechischen nennt man eine Person „arrogant“, die sich selbst für wichtiger hält, als sie ist, oder eine Person, die alle anderen geringschätzt. So gesehen sind viele Menschen gegenüber Staat und Polizei arroganter geworden. Aber viele Leute versuchen, sich ihr mentales Gleichgewicht mit schwarzem Humor zu bewahren.
„Arrogant“ heißt im Griechischen aber auch eine bestimmte Haltung des Körpers eines Kriegers: keine Angst zu verspüren und ruhig und stolz durchzuhalten, während man seinen Platz verteidigt, die Kraft zu haben, sein Gebiet zu verteidigen und ins umliegende Territorium vorzudringen. Arrogant meint, die innere Kraft zu haben, Kämpfe mit Gegnern zu beginnen, die viel stärker sind als du. Ja, so gesehen, ist die Bewegung viel arroganter geworden.
Könnt ihr uns den Kontakt zu Menschen beschreiben, die vorher außerhalb eures Kreises waren? Welche neuen Gesprächspartner und Verbindungen habt ihr?
Sprich niemals in der Öffentlichkeit über deine Gesprächspartner und Verbindungen, vor allem nicht mit Leuten, die du nicht kennst, oder mit Leuten, denen du nicht zu 100 Prozent vertraust. Dies ist die beste Art der Kommunikation mit Leuten, die vorher außerhalb deiner Kreises waren. Natürlich haben wir alle während diese Aufstandsjahrs einige großartige neue Freunde und Genossen gewonnen, die aus einem breiten kulturellen Hintergrund und unterschiedlichen ökonomischen Klassen stammen.
Was tun Anarchisten jetzt, das sie niemals zuvor getan haben?
Durch die Aktivität der gleichen Menschen Verbindungen zwischen zwei Kräften herzustellen. Indem du zerstörst, erschaffst du auch, zerstören und anzünden und zur selben Zeit Leben geben, funktionelle Alternativen. Dies ist für immer das Ende der Trennung zwischen Gewalt und Gewaltlosigkeit: der Gewalttätige wird der Gewaltlose, und der Gewaltlose wird zu einem Monster, das sich allen Formen der Macht stellen kann. In Griechenland gibt es keine Moral der Gewaltlosigkeit mehr, dem stimmen sogar die gewaltlosen Aktivisten zu. Es gibt keine gewaltlosen Anarchisten. Sogar die sensiblen, naiven Romantiker sind nun bereit, sich dem Tränengas auszusetzen, Barrikaden zu bauen und die Polizei zu bekämpfen.
Wie ein Plakat kurz vor den Wahlen von allen Wänden Athens verkündete: „Manchmal besteht die gewalttätigste Handlung darin, nichts zu tun. Wählt nicht!“
Gewalt und Gewaltlosigkeit sind keine Identitäten und keine Moral. Dieselben Menschen, die gegen die Polizei kämpfen, haben Erfahrungen und Wissen, um einen Park zu errichten, politische und soziale Demos auf nicht-konfrontativer Grundlage zu machen, ein Buch zu schreiben, ein Lied zu singen, mit Kindern auf dem Spielplatz zu spielen. Dieselben Menschen, die Kunst-Happenings veranstalten und mit Trommeln und Puppen vor den Augen der Polizei tanzen, werden zusammen mit dem Schwarzen Block mit Molotowcocktails und Steinen gegen die Polizei kämpfen, wenn sie näher rückt und sie werden ihren Genossen helfen, zu entkommen. Dieselben Menschen, die du hinter den Barrikaden findest, betreiben einen Gemüseladen, in dem es organisches Gemüse und Früchte von anarchistischen Bauernhöfen gibt, und sie alle haben zusammen an dem Aufstand teilgenommen, und sie werden wieder teilnehmen.
Die Art, in der gewaltlose Praktiken Eingang in den Aufstand gefunden haben, geschieht hier zum ersten Mal und das ist eins der außerordentlichsten Dinge, die seit Dezember entstanden sind. Die Vorgehensweise, mit der dieselben Menschen diese zwei Identitäten in einem offenen und alle einschließenden Experiment ausdrücken, bringt eine explosive neue gesellschaftliche Wirklichkeit hervor. Sie zerstört die Trennung zwischen der Idee des Aufstands und der Schaffung von Alternativen und will dabei die Umwandlung des Aufstands in eine neue abgetrennte Identität und in einen Lebensstil verhindern sowie gleichzeitig die gesellschaftlichen Kämpfe davor bewahren, dem Reformismus zu verfallen. Auf komplementäre und nicht antagonistische Weise kann die eine Strategie die Beschränkungen der anderen überwinden und lösen.
Wie werden die Anarchisten die Macht der Medien überwinden?
… und wie werden wir Nationalismus, Konservatismus, Zynismus, Apathie und den Einfluß der streng kontrollierten öffentlichen und privaten Massenbildung überwinden?
Vielleicht werden wir die Macht der Medien erst durch den Aufbau einer starken anarchistischen Untergrundkultur überwinden, die Tausende engagierter „Amateur-Intellektueller“ auf dieselbe Weise umfaßt, in der sie heute Tausende Amateur-DJs oder Punkmusiker umfaßt. Wir werden die Macht der Medien durch den freien Vertrieb aller möglichen kulturellen Produkte, Bücher, Cds, DVDs von Hand zu Hand überwinden. Wenn wir zum Beispiel nur die Hunderte dieser Sachen zählen, die in diesem Jahr in Griechenland veröffentlicht worden sind – alle mit einer Auflage von 1000 bis 4000 Exemplaren und im ganzen Land frei verteilt –, kann man sich vorstellen, daß ganze Bibliotheken mit Produkten aus dem Untergrund zu den Bereichen Theorie, Kreativität und Propaganda gefüllt werden könnten, wenn Tausende Menschen beginnen würden, diesen Ansatz mit persönlichen und kollektiven Anstrengungen in die Praxis umzusetzen.
Wenn wir Information und Kultur in ein Geschenk verwandeln, gewinnen unsere Kultur und unsere Informationen die größtmögliche Authentizität und den Respekt der normalen Leute. Indem wir Treffpunkte, Veranstaltungen und Filmvorführungen organisieren, können wir Information in eine kollektive Kraft verwandeln. Wir müssen die Menschen aus ihren Gefängniszellen der Mainstream-Dummheit in eine Kultur ohne Zuschauer oder Spektakel locken. Und wir können das Mißtrauen der Menschen gegen die Medienkonzerne durch breite Anti-Medien-Kampagnen und durch die vollständige Verweigerung der Zusammenarbeit mit den Massenmedien auf allen Ebenen verstärken. Dies ist eine auf lange Sicht angelegte Strategie, weswegen die Menschen in der Zwischenzeit für Informationen auf das Internet vertrauen werden, wenn etwas wirklich Wichtiges passiert.
Wir müssen unsere eigenen Mythen schaffen, unsere eigenen Informationen, unsere eigenen unglaublichen Aktionen und dann selbst über sie berichten. Die Menschen sind nicht dumm. Die Gesellschaft weiß, daß die Fernsehnachrichten voller Lügen sind, und die jüngere Generation schaut ohnehin keine Fernsehnachrichten mehr.
Aber sind wir wirklich in der Lage, die Stellung der großen Medienkonzerne mit unserer Kreativität zu brechen? Sind wir in der Lage, so interessante Theorien, solch faszinierende Filme und so großartige Geschichten zu schaffen? Sind wir bereit, große Abenteuer zu erleben, die sich in Sekundenschnelle über den ganzen Planeten verbreiten? Sind wir in der Lage, Wege zu finden, unsere Visionen Erwachsenen zu erklären, auch wenn wir selbst Erwachsene sind? Sind wir bereit dazu, die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf uns zu ziehen und einen Ausweg und einen einleuchtenden, klaren Grund zu liefern, die Türen, die uns eingeschlossen halten, aufzubrechen?
Welchen neuen Mittel und Strategien haben die Menschen seit Dezember?
Die wichtigsten Merkmale sind:
1.Kontinuität: das Bemühen, auf alle Schritte des Staates Antworten und direkte Reaktionen anzubieten und den Kampf mit Aktionen und Ereignissen am Leben zu erhalten, die beinahe täglich stattfinden. Es gibt auch bewußte Anstrengungen, suizidale, opferreiche Schritte zu vermeiden, die zu Verhaftungen oder schweren Niederlagen führen. Die Unruhen und die Zusammenstöße mit der Polizei sind gut organisiert, die Ausrüstung ist gut und sie finden an Orten und Zeiten statt, an denen die Möglichkeit am höchsten ist, daß sie den meisten Schaden anrichten, ohne daß ein hoher Preis gezahlt werden muß oder Menschen ernsthaft in Gefahr gebracht werden.
2.Politische Arbeit: gegründet auf einer direkten Verbindung zu den gesellschaftlichen Problemen und nicht auf ideologischen Abstraktionen. Die Anstrengungen, auf die Gesellschaft zu hören, mit den Sorgen und Ängsten der Menschen Kontakt zu halten, Antworten da zu geben, wo es keine zu geben scheint, und die Ursachen der Probleme anzugreifen und nicht nur ihre Folgen. Die Fähigkeit der Bewegung, eine ernsthafte Rolle in der politischen Welt des Landes zu spielen, hängt davon ab, ob wir es schaffen, daß unsere Wurzeln tief in die gesellschaftlichen Kämpfe reichen, und von der Fähigkeit, anarchistische Ideen und Praktiken in den Herzen der normalen Menschen und der jungen Radikalen zu verankern. Das wird möglich durch die individuelle Herausbildung eines kritischen Geists und des kollektiven Herbeiführens einer offenen, allumfassenden, öffentlichen Konfrontation mit allen Formen der Herrschaft.
3.Kulturelle Arbeit: Die Treffen, die Versammlungen, die Plätze, die Parks und das öffentliche Leben ermöglichen die Aufnahme von Menschen, die den Mut, zu kämpfen, und die Fähigkeit, zu denken und zu schaffen, haben. Zum ersten Mal seit vielen Jahren sind Anarchisten heute in der Lage, eine hohe Sichtbarkeit in dieser Gesellschaft zu erreichen und neue Menschen nicht nur durch ihre Zerstörungskraft, sondern auch durch die Verteidigung öffentlichen Raums (wie der Parks) und die Schaffung politischer Räume (wie der besetzten Häuser und der sozialen Zentren) zu gewinnen. Ebenso wichtig ist die kollektive Kultur, die es den Einzelnen erlaubt, von den Kommunen zu profitieren, ohne ihre Persönlichkeit in ihnen zu verlieren, wie es in der Tradition der linken Organisierungen passiert.
4.Kontinuierliche Verbreitung von Gegeninformation: die entscheidende Bedeutung von Drucktechniken (nicht digitales Drucken, sondern 70 mal 50 cm-Offset-Druck!), um Tausende Exemplare von großen Plakaten zu drucken, die überall verklebt werden. Da all die verschiedenen Gruppen viele verschiedene Plakate machen, bildet sich an den Wänden der Stadt ein ganzes Theoriespektrum ab. Niemand muß mehr anarchistische Bücher lesen. Die Theorie steht an den Wänden! Natürlich ist es ebenso wichtig, die Druckmaschinen auch für Tausende Exemplare der Kommuniqués und Bücher zu verwenden, die für umsonst in den Städten verteilt werden. Diese Praktiken gehen einher mit der unaufhaltsamen Verwendung von Sprühdosen, um politische Parolen an alle Wände zu sprühen, signiert mit dem A im Kreis, und der Entfernung von Neo-Nazi-Graffiti. Außerdem gehen Genossen häufig mit einem kleinen Generator und einem kleinen Sound-System auf den zentralen Platz ihrer Stadt, um ihre Musik zu spielen und ihre Kommuniqués zu verlesen und Flugblätter zu verteilen. Mit dieser Gegeninformationsmethode lenken sie die Aufmerksamkeit der Menschen auf bestimmte gesellschaftliche Kämpfe, stärken die Solidarität und haben endlose Gespräche mit Passanten.
Einige Beispiele für wichtige Kämpfe und Strategien:
Wir haben Einwanderer gesehen, die in Konzentrationslagern eingesperrt waren, wir haben gesehen, wie die Wirklichkeit mit Gesetzen und Drohungen Rache genommen hat, wir haben den Konservatismus als Bewahrer und Beschützer der schlimmsten Seiten der Menschheit gesehen, wir haben gesehen, wie Gier und Ausbeutung unsere schönsten Träume genauso zerstörten wie die Wälder, Strände, Parks, Plätze und Krankenhäuser. Wir haben gesehen, wie die Apathie unser Leben in festungsartigen Städten des Kommerzes und der Massenverdummung gefangengenommen hat…
Vielleicht sind wir jetzt näher an dem Punkt, von dem es kein Zurück gibt. Um an diesen Punkt zu kommen, hätten wir vielleicht alle im letzten Dezember unsere Jobs aufgeben sollen… Vielleicht hätten die Arbeitslosen die Unsicherheit des „persönlichen Versagens“ mit dem Stolz des kollektiven Risikos des Aufstands tauschen sollen. Vielleicht hätten die Schüler für wenigstens ein Jahr die Schule verlassen sollen, um die Bedeutung öffentlicher Bildung neu zu entdecken. Dann hätte die Schaffung Tausender neuer Websites, Blogs, Gratis-Filme, Bücher, DVDs und Flugblätter die Herrschaft der Massenmedien untergraben können. Kostenlose Untergrund-Festivals können die „Industrie der Massenunterhaltung“ zerstören, und besetzte Universitäten können jeden Tag für Tausende Menschen freie Unterkunft, Essen, Gegeninformation und sinnvolle Unterhaltung bieten. Wir müssen wieder kollektiv leben, die gegenwärtige Philosophie und revolutionäre Kunst neu definieren. Vielleicht können die schöpferischen Freundescliquen, Kleingruppen, die besetzen Parks, Häuser und sozialen Zentren Orte werden, an denen all die Träume lebendig werden, die wir in der Selbstsüchtigkeit unserer kleinen, unbedeutenden, individuellen Illusionen verloren haben. Wir werden wohl gegen viele Ängste, Fallen, tief verwurzelte Lügen, psychologische Komplexe und Unsicherheiten kämpfen müssen. Und dann werden wir unser Alltagsleben mit den magischsten geheimen Wünschen verbinden und die Straßen von Metropolis in wertvollen Momenten der Freiheit und des Glücks verwandeln.
Der Aufstand endet nie.
Der Aufstand wird nie enden.
Vielleicht müssen wir anfangen, darüber nachzudenken, wie die Welt, in der wir Leben wollen, aussieht. Wir müssen Momente und Eindrücke unseres heutigen Lebens verwenden, die wir in ihrer vollen Bedeutung entfalten und beleben wollen. Wir brauchen keinen Science-Fiction-Plan für unsere Zukunft. Wir haben alles hier und jetzt. Wir müssen dies alles vom Staat und vom Markt befreien und teilen.
Revolution ist, wenn die Gesellschaft ihr Leben in die eigenen Hände nimmt und alles, was heute Ware ist, ein Geschenk wird. Revolution, das sind Eintausend Aufstände, nicht mehr und nicht weniger. Aufstände öffnen Wege, befreien Raum und Zeit, programmieren das tägliche Leben neu, verändern die Beziehungen, erfinden neue Wörter, brechen Hierarchien, zerstören Tabus und Ängste und Einschränkungen. In ihnen wird der höchstmögliche Grad an öffentlicher Beteiligung an Projekten und Infrastrukturen erreicht und uns die Möglichkeit gegeben, uns zu entfalten und unsere Fähigkeiten ohne Grenzen zu teilen. Aufstände sind ein nie endender Kampf, ein beständiger Streit zwischen Verzweiflung und Selbstbeherrschung, Apathie und Aktion, Angst und Entschlossenheit, Bedürfnissen und Leidenschaften, Pflichten und Wünschen, Hemmnissen und Ausbrüchen. Ist es überhaupt möglich, sich so etwas vorzustellen? Die Erfahrung des Aufstands hat uns gezeigt, daß diese wilden Träume, die wir uns vor Scham nicht eingestehen wollten, tatsächlich Wirklichkeit werden können.
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