Kommentar zum Treiben einiger Minwächter unserer Ordnung rund um eine Veranstaltung zum „Konspirationistischen Manifest“
Außerdem hier zwei der vier Vorträge auf dieser Veranstaltung, ein Veranstaltungsbericht sowie drei dort ausliegende Zettel: Die Übersetzung des Vorworts zur englischen Ausgabe, ein Auszug aus der Selbstbiographie von Norbert „Knofo“ Kröcher und der Stimmzettel zur Umfrage bezüglich des Solizwecks.
Bei der Veranstaltung zum Konspirationistischen Manifest im Jockel am 2. Juni kamen auch einige Miniwächter auf der Suche nach irgendetwas, was sie rechts nennen und öffentlich anprangern können. Wenn man sie in personam trifft, handelt es sich einfach um Nervensägen, wenn sie ihrer Funktion als Twitter-Bots nachgehen, handelt es sich dagegen um Denunzianten. Aber sie leisteten bei letzterer Tätigkeit immerhin ihren Beitrag zur Bekanntwerdung der Veranstaltung, indem sie einige Photos schossen und auf ihren asozialen Medien verbreiteten. Ein Maskenfetischist, der sich selbst Schnappi nennt, hat wie ein rasender Reporter sogar ein kleines Video von sich selbst gedreht:
„Ich stehe hier vorm Biergarten Jockel. Hier findet gerade eine Querfrontveranstaltung statt und zwar von Linken, die hier Reitschusterpropaganda verteilen. Die Freie Linke hat auch beworben, diese Veranstaltung und die Veranstalterinnen haben auch gar kein Problem mit den freien Linken. Ja, das ist hier sehr schrecklich, es geht um das Konspirationistische Manifest, ein äh ja, einfach nur Bullshit. Das Interessante an der Veranstaltung ist nicht nur, dass das Jockel bisher eigentlich als stabil galt, sondern äh, dass das ne bestimmte Art von Leuten ist und zwar so schwurbeloffene Linke, kennen wir schon von den Friedensdemos, aber das sind jetzt so Anarchistinnen, ja, Intellektuelle, Autonome, die das irgendwie toll finden, wenn irgendwo Tonnen brennen und das jetzt auch gut finden, dass die Schwurbel halt gegen den Staat ja was machen, ja genau, das gucken wir uns jetzt an, eine neue Schwurbelspezies, Art, Unterart.“
Eine Lüge auf zwei Beinen. Querfront? Keiner der diese Veranstaltung besucht hat, wird auch nur etwas von einer Front bemerkt haben, geschweige denn von einer Querfront, wenn man einmal davon absieht, dasss die im Publikum wie auf dem Podium versammelten Leute allesamt je recht quer zueinander standen. Reitschusterpropaganda? Es gab einen Büchertisch und darauf, neben anderen Publikationen und Flugzetteln, ein Buch von Thomas Maul. Auf dem Rücken dieses Buchs ein Spruch des Liberalen Boris Reitschuster. Bisher stabil? Der Biergarten Jockel hat sich umgekehrt jetzt als verhältnismäßig stabil erwiesen, indem die Veranstaltung dort stattfinden konnte, „trotz eindringlichen Hinweis“ irgendeiner Antiverschwurbelte Aktion und obwohl er von irgendeinem sozialdemokratischen Politiker angedroht bekam: „Wenn also eine Kreuzberger Gastro-Location einer solchen Gruppe ein Forum gibt, empfiehlt sich für eine demokratische Partei möglicherweise eine Überprüfung der Ortswahl.“ Er tat das nebenbei, ohne sich besonders um den Inhalt der Veranstaltung zu scheren. Freie Linke? Der typische Buhmann, übrigens bis tief in die neu entdeckte Schwurbelspezies hinein. Also ein vielleicht paar Worte hierzu:
Tatsächlich hat die Freie Linke Zukunft die Ankündigung der Veranstaltung auf ihrem Telegram herumgeschickt. Für diese Abspaltung der Freien Linken hat „eine oppositionelle Linke eine Daseinsberechtigung nur mit klar sozialistischer Orientierung“ und weil sie das bei der Freien Linken nicht gegeben sah, hat sie sich abgespalten. Ohne hier näher auf diesen inneren Disput einzugehen, liegt der Grund dafür, dass die Freie Linke eben keine klare sozialistische Orientierung hat, darin, dass hier wie auf der Arche Noah alle linken Splittergruppen in einem Exemplar zusammenkamen, nachdem sie sich auf den Demonstrationen gegen die Regierung kennen gelernt hatten und weder mit den Rechten identifiziert werden, noch den Rechten den Raum überlassen wollten. Daher bereicherten sie das allgemeine Kuddelmuddel dieser Demonstrationen mit zahlreichen roten Fahnen. Zum Buhmann wurden sie tatsächlich für diese Dreistigkeit, als Linke öffentlich gegen den autoritären Staat zu demonstrieren. Wie konnten sie es wagen! Dafür werden sie angefeindet und nicht für irgendeine gegebenenfalls fragwürdige Taktik im einzelnen.
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Eine andere Sache verdient einen Kommentar. Ein Twitter-Bot behauptet: „Das besprochene ‚Konspirationistische Manifest‘ ist sicher NICHT vom Unsichtbaren Komitee im Original verfasst worden. Das Kollektiv bestreitet das. Distanzierung: https://tiqqunim.blogspot.com/2022/02/comunicado-num-0-2022.html.“
Vom Podium wurde darauf hingewiesen, dass das Konspirationistische Manifest in der Tradition des Buchs Der kommende Aufstand steht, und tatsächlich ist das Konspirationistische Manifest nicht vom Unsichtbaren Komitee gezeichnet, der Kommende Aufstand aber schon. Bei der angeblichen Distanzierung handelt es sich um das Kommunikee N°0. In diesem distanziert sich das Unsichtbare Kommitee nicht vom Inhalt des Manifest Conspirationniste, sondern nur von der Autorenschaft. Im Gegenteil wird dieses Buch als für diese „Epoche völlig inakzeptabel“ bezeichnet, was – muß man es erwähnen – in diesen Kreisen ein Lob ist. Auch ist es kaum verwunderlich, dass sich auf Schisme, der Seite, auf dem das Kommunikee erschien, auch zahlreiche Zitate aus dem Konspirationistischen Manifest finden. Ansonsten geht es im Kommunikee unter anderen gerade gegen die Schlüssellochguckerei unserer Miniwächter, die wie die letzten Vulgärverschwörungstheoretiker beständig die Punkte verbinden, irgendwelche Namen nennen und sich dabei ebenso beständig irren. Sie spielen sich dabei auf wie ein outgesourcter Verfassungsschutz; autoritäre Charaktere wie aus irgendeinem Lehrbuch. Der auf der Veranstaltung hergestellte, inhaltliche Zusammenhang ist dagegen etwas anderes, und er ist bei den beiden Büchern unverkennbar, obwohl doch einige Jahre zwischen ihnen liegen. Es versteht sich, dass auch Der kommende Aufstand damals bei den das Wort führenden Linken weitgehend durchgefallen ist. Besonders gewitzte Rezensenten witterten auch schon den Faschismus.
Das Konspirationistische Manifest ist jedenfalls eine anonyme Schrift, die Veranstaltung war anonym. Auch das Unsichtbare Komitee hatte keine Autoren im herkömmlichen Sinne dieses Wortes: „Wer unter diesem Namen schreibt, erreicht dies nur nach einer gewissen Askese, einer gewissen Übung der Entsubjektivierung, bei der er sich aller Abwehrmechanismen entledigt, die letztlich das Ich bilden.“ Das ist die objektive Seite der Anonymität. Die andere betrifft die Sucht der Ordnung, alles zu personalisieren und zu kartographieren, um im Fall der Fälle einen Schuldigen präsentieren zu können. Das ist etwas, das unsere Miniwächter intendieren, aber auch die wohlgesonneneren Rezensenten mitunter nicht verstehen: „Der polizeiliche Charakter des Begriffs ‚Autor‘ – die Notwendigkeit, einen ‚Verantwortlichen‘ für jede öffentlich ausgesprochene Wahrheit zu haben“.
Wie dem auch sei. Unsere denunzierenden Nervensägen werden die vorgebliche Distanzierung nicht gelesen haben, da sie es auf portugiesisch verlinken. Sonst hätten sie auch folgende Passage über sich selbst gelesen: „Der ‚Faschismus‘, den sie überall erkennen, ist der, den sie sich im Grunde wünschen, denn er würde ihnen, wenn schon nicht intellektuell, so doch zumindest moralisch Recht geben.“
17.6.2023