Von linken Waschzwängen und schmutzigen Methoden
Béatrice Bagarre
Der kommunistische Tresen hatte das Glück, die Coronakrise schon ohne Corona durchgemacht zu haben. Social Distancing wurde in diesen Kreisen konfus betrieben, bevor es als Hashtag überall verbreitet wurde. Einfach, weil man einander plötzlich nicht mehr riechen mochte. Insbesondere trat die Frauenantifa Nemesis in Erscheinung, den Kommunistischen Tresen unter denjenigen zu verschreien, die eben noch gut gelaunt ihr Bier auf eben diesem Tresen tranken. Und so konnte man in diesem Kreis schon über Waschzwang reden, bevor er als staatlich befohlenen Neurose endgültig allgemein wurde.
(Der folgende Betrag einer Genossin, erschien zunächst auf diesem Facebook, nachdem dort die den Tresen bislang lose organisierenden Individuen aufgefordert wurden, den Text der Fantifa zu kommentieren. Allerdings wurde er mitsamt des Threads von einem selbsternannten Miniwächter der Ordnung gelöscht.)
Der bemerkenswert kreative Text der Fantifa Nemesis mag einiges sein, eine Kritik an bestehenden Gewaltverhältnissen und deren Fortsetzung in sogenannten „linken Räumen“ ist er jedenfalls nicht. Erst recht ist er keine Selbstkritik, aber da beißt sich die Katze halt in den eigenen Phallus, äh, Schwanz. (Kritisieren heißt nach dem, was ich darunter verstehe, die Fähigkeit, zu unterscheiden: Beispielsweise eine tatsächliche oder vermeintliche Dummheit, die zu verneinen ist, von demjenigen, der sie behauptet. Das ist zwar nicht immer leicht zu bewerkstelligen, wenn die eine durch den anderen in Erscheinung tritt. Ginge man aber vorweg davon aus, das Kritisierte sei mit denjenigen, die es vorbringen, restlos identisch, lohnt sich die Mühe halt eh nicht (sofern es um mehr als die Selbstinszenierung der eigenen Überlegenheit geht). Die sollte ja irgendwie darin bestehen, dass man versucht, ins Gespräch zu kommen, damit danach möglicherweise weniger mutmaßliche Dummheiten in den Köpfen vorherrschen. Leute gerade nicht dort abzuholen, wo sie stehen, sondern sie stattdessen von dort wegzuholen, wo sie sich noch befinden, ist die Absicht von Kritik. Das könnte man avantgardistisch nennen, was etwas anderes ist, als elitär. Dass Kritik „progressive Ansätze“ vorbringen soll, wie die Fantifa Nemesis fordert, ist allzu oft nur eine scheinheilige und unter dem Verweis auf emanzipatorische Praxis auftretende Variante des autoritären Bedürfnisses nach Berechenbarkeit.)
Dass es sich beim Traumprotokoll der Fantifa Nemesis schlicht um einen denunziatorischen Text handelt, darauf könnte allein die herbei imaginierte Sportpalaststimmung verweisen, die angeblich bei diesem ominösen Dezemberereignis vorgeherrscht haben soll, die somit auch unumwunden als Beleg herhält zur Nähe des Tresens zur AFD und den Vorfällen auf Monis Rache. Wer denunziert, macht das entweder aus Ohnmacht, oder aus Herrschsucht. Hängt aber wohl beides nicht unverbunden zusammen. Die Frage im ersten Fall wäre, woher diese gefühlte Ohnmacht, bspw. angesichts der im Text konstatierten „Mackerdynamiken auf dem Tresen“ „in den eigenen Kreisen“ kommt und weshalb man es fortwährend – ist ja nicht so, als sei das, was hier gerade passiert, etwas anderes als die übliche Selbstzerfleischung der wie auch immer definierten Linken – vorzieht, sich gegenseitig alle denkbaren Gemeinheiten anzuhängen und sich dümmer zu stellen, als man ist, anstatt zu versuchen, sich halbwegs oder bestenfalls gänzlich vernünftig darüber zu streiten und diese Ohnmacht zu benennen. Gerade dann, wenn man sich persönlich kennt und bereits gemeinsam zusammen organisiert, gedacht, geschrieben hat. Auch Polemik reagiert ja auf Ohnmacht. Eine Selbstverständlichkeit ist außerdem, dass Polemik deplatziert sein und misslingen kann, dass ihr die eigene Form, die dann ihre Berechtigung hat, wenn sie aus der ohnmächtig machenden Sache kommt, manchmal trotzdem zum Verhängnis wird. Zum Beispiel wenn sie (unbemerkt) kippt, und man sich nicht mehr polemisch zu den Dingen verhält, um dem, was nicht tragbar ist, pardon für das Pathos, „erkennend standhalten“, sondern weil man eigentlich schon dermaßen gedanklich am Ende ist, dass einem nur noch die zynische Selbstbehauptung bleibt. So bitter und auch verletzend das womöglich sein kann, gibt’s trotzdem einen wesentlichen Unterschied zum Denunziatorischen. Wo hier, wenns eher schlecht gelingt, Kommunikation selbst theoretisch nur noch vorgetäuscht wird, soll dort nicht einmal mehr das passieren. Der Gegner, die ungeliebte Position und alle die sie vertreten oder mit ihnen assoziiert werden, wird angezeigt, verurteilt, soll ausgeschaltet und niedergemacht werden. Wenn der Text der Fantifa Nemesis etwas anderes wollte, als das, wenn es den Verfasserinnen tatsächlich um notwendige „Selbstkritik“ gegangen wäre, hätte es zahlreiche Möglichkeiten gegeben, diese anzubringen, ob unmittelbar nach dem Vortrag, ob vermittels einer Replik auf dem nächsten Tresen oder was auch immer. Wer lieber dem linken Waschzwang und Reinheitsbedürfnis der „eigenen Räume“ nachgibt, als sich darin zu streiten, der hat’s vielleicht angenehmer, kommt aus seinem Salon aber nicht nicht mehr so schnell heraus.
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Béatrice Bagarre
7.3.2020