Erwin Grave
Aus der Akademie der Kunst
Politik und Kunst ist ein heikles Thema und doch hatte die Berliner Akademie der Kunst am 24.3.2019 zum Gespräch geladen: »Wie politisch ist unser Werkzeugkasten?« Immerhin war Helmut Lachenmann dabei und so erfuhr man, das Luigi Nono gleichzeitig Kommunist und Komponist gewesen war. Man suchte damals, in den 50ern und 60ern, anscheinend die Tonalität mit Stumpf und Stil auszurotten, um noch der letzten bürgerlichen Schlacken ledig zu werden. Jede »melodische Zelle« war verdächtig, schon ein Crescendo galt als faschistisch. Lachenmann selbst habe sich in jungen Jahren von derlei K-Musik abgegrenzt, verehre aber trotzdem seinen ehemaligen Lehrer Nono. Lachenmanns Kunst jedenfalls weder für politisch noch provokatorisch. Soweit so wahr. Er fügte dann aber hinzu, dass er ja nicht nur »parasitischer Komponist« sei, sondern unabhängig davon auch Citoyen. Also habe er auch eine politische Meinung und prompt ging es gegen Donald Trump; eine Reprise des Unsinns gegen Ronald Reagan in den 80ern; Mahnung vor der sich nun verallgemeinernden Dummheit und halbherzige Verteidigung der Demokratie, der er doch misstraut. Was auch immer so schlimm an Dummheit sei, Lachenmann ist mit seinen 84 Jahren hellwach und so versteht man einen gewissen Verdruss sofort. Auch war seine Rede nicht besonders agitatorisch, sondern angenehm gelassen und eines seiner Beispiele der in Trump inkarnierten Dummheit schön: Nachdem man den vereinigten Staatschefs in Hamburg beim G20-Treffen auf Geheiss der Merkel die ganze 9. Sinfonie von Beethoven zugemutet hatte, habe wiederum der Potus höchstselbst gezwitschert, dass er in einer »great opera« von Beethoven gewesen sei. Amazing. Darauf der Moderator: »Und jetzt spielst du uns dein Wiegenlied vor?« Und Lachenmann: »Es heißt Wiegenmusik.« Jedenfalls ist es kein Lied. Nichtmal eines ohne Worte. Soviel zum Niveau dieser Körperschaft öffentlichen Rechts, der albernerweise bis 2015 der weder politisch noch künstlerisch begabte Klaus Staeck präsidieren durfte. Aber schön und gefällig ist die Wiegenmusik und Lachenmann trug es gut aus dem Kopfe vor. Sicher schon zur Zeit seiner Erstellung niemanden provozierend war es doch gerade das Richtige für uns im Publikum.
Erwin Grave