Nachrichten des letzten Jahres
Nur für internen Handgebrauch
In Berlin haben einige Individuen beschlossen, alle zwei Wochen einen Kneipenabend zu organisieren, um lose untereinander bekannten Mitgliedern diverser lokaler kommunistischer Zirkel und deren jeweiligem Umfeld einen Treffpunkt zu bieten. Ziel des Club für sich getauften Etablissements ist es – bei einigem Alkohol – bestimmte Kontakte herzustellen, die vielleicht einmal nützlich sein könnten. Es gelang im letzten Jahr jeweils zwischen 20 und 50 Menschen zu sammeln, welche das Ziel eint, den Staat und die Lohnarbeit abschaffen zu wollen. Unter anderen wurde der Raum auch von einigen britischen und italienischen Genossen zur Kontaktaufnahme mit gleichgesinnten Deutschen genutzt. Allerdings konnten bisher die gruppistischen Bornierungen nicht überwunden werden, geschweige denn, daß die Gäste zu einer kollektiven Stimme gefunden hätten. Die Zukunft dieses Projekts ist daher eher ungewiß.
Die Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft (www.klassenlos.tk) haben in ihrer Zeitschrift Kosmoprolet einige Thesen veröffentlicht, die den Prozeß der Neubildung einer revolutionären Bewegung beschleunigen sollen. Es wird darin das vollständige Verschwinden der alten Arbeiterbewegung konstatiert, welches den paradoxen Zustand einer klassenlosen Klassengesellschaft herbeigeführt habe. Um diesen zu verlassen sei ein qualitativ vollkommen neuer Anlauf der Subversion notwendig, als dessen erste Vorläufer die französischen und italienischen Unruhen Ende der 60er und 70er Jahre identifiziert werden. Wie man aber konkret in Betrieben agiert – so man das Pech hat, in einem zu arbeiten – verrät diese Gruppe nicht.
Einige der wichtigsten Dokumente der Krise von 1968 sind verfügbar gemacht worden.
Die Gruppe Slatan Dudow hat einen Film mit einer Rede von Hans Jürgen Krahl gedreht. Er hält sich dabei vollständig an den Text, der allerdings – zur besseren Verstehbarkeit – auf drei Rollen aufgeteilt wurde. Es gelang so bei geringem Produktionsaufwand, mit einer neuen Form der Bekanntmachung kommunistischen Gedankenguts zu experimentieren (www.gruppeslatandudow.de).
Ferner wurde von den Freundinnen und Freunden der klassenlosen Gesellschaft die bessere Hälfte der Schriften der Situationistischen Internationale herausgegeben. Insbesondere hat man Raoul Vaneigem den Platz eingeräumt, den er verdient.
Dieselbe Gruppe hat außerdem einen Raubdruck eines lesbaren Buchs über den Pariser Mai herausgebracht: René Vienéts Wütende und Situationisten in der Bewegung der Besetzungen. Es handelt sich hierbei um eine Selbstreflexion der damals an die Oberfläche gespülten revolutionären Bewegung, an dessen Tiefe die Gruppe des Autors größeren Anteil hatte. Zahlreiche Bilder und einige im Anhang gesammelten Dokumente aus dieser Zeit geben ein gewisses Gefühl dieser gallischen Fete.
Ein unseren Zielen nicht per se abgeneigter Bekannter hat mit einem Kumpel zwei Dokumentarfilme gedreht. Beide sind dem Inhalt nach nicht besonders von Interesse, wenn auch nicht ohne Witz. Es wurde aber hier gezeigt, wie man mit geringem Aufwand brauchbare Dokumentarfilme erstellen kann, so daß man nun nur noch würdigere Gegenstände finden muß als einen Dorfbürgermeister oder einen Biometzger (www.neidstein.com).
Ein Leser des Magazins hat – aus Langeweile, wie er schreibt – einen kleinen Propagandafilm zusammengeklickt, welcher unseres Erachtens durchaus unterhaltsam ist. Er meinte, keine Vertriebsmöglichkeit zu besitzen, und so springen wir mit unseren bescheidenen Möglichkeiten ein, bis sich eine bessere Option findet. Man kann ihn also unter www.magazinredaktion.tk bestellen, sowie von www.classless.org bzw. direkt von http://cutuphistory.org/media/Heldenleben.avi herunterladen, sofern man eine moderne Verbindung zum Netz hat. Eine englische und französische Variante sind ebenso erhältlich. Der Film erzählt – kurz gesagt – die Geschichte eines jungen Mannes, der im Kapitalismus aufwacht, sich dem Illuminatenorden anschließt und schließlich ebenso die Liebe genießt wie er zu Abschaffung der alten Welt beiträgt. Die Musik wurde von Bach, Mozart, Beethoven, Mahler, Schönberg, Lemmy Kilminster und Eisler komponiert. Die Regisseure des umfassenden Teams arbeiten in der Mehrzahl für Hollywood, es kommen aber auch Franzosen und Russen vor.
Den neuerdings entstehenden Werken steht bislang kein adäquates Vertriebsnetz zur Verfügung. So wird der erwähnte Club nicht für den Vertrieb derselben benutzt. In anderen Städten existiert nicht einmal ein vergleichbarer Versammlungsort. Unmittelbares Ziel ist daher u. E. die Herstellung wenigstens eines kommunistischen Debattierraums in jeder Stadt sowie eines geeigneten Verteilungsknotens für die neu zu erfindende revolutionäre Propaganda.
Einige in der Gruppe Worker’s Liberty versammelte Engländer haben herausgefunden, daß es momentan keine revolutionäre Bewegung gibt und alle linken Sekten sich bereits auf dem Müllhaufen der Geschichte befinden, wiewohl sie noch eine physische Existenz fristen. Daraufhin hat ein Herausgeber des Magazins in einem Debattenbeitrag für die Zeitschrift dieser Gruppe (http://www.workersliberty.org/node/8617) angemerkt, daß daraus auch Schlußfolgerung für ihren eigenen Verein zu ziehen sind, welcher sich vom Trotskyism lossagen müsse, wenn er zur Abschaffung der alten Welt beitragen will.
Der linksintellektuelle Sumpf Bremens hat sich aufgerafft, die Zeitschrift Extrablatt herauszugeben. Bei einigen Ansätzen, ihren Akademismus zu verlassen, bleibt dieses Magazin auf dem Boden dieses zu allem Überfluß höchst sektiererischen Akademismus. Es werden beständig triviale Wahrheiten oder grobe Verdinglichungen hinter Phrasen versteckt und so versucht, das kleine Publikum mit dem eigenem Dunst einzunebeln. Dies wäre alles nicht weiter schlimm, wenn nicht in diesen Kreisen Sektierertum und Arroganz regelmäßig dazu führen würde, vernünftigere Menschen auszuschließen. Diese Gemeinheiten bleiben dabei unter der Oberfläche solcher Zirkel, da Spaltungen und Gegensätze hier weder öffentlich ausgetragen noch überhaupt in ihrer Vernunft erkannt oder auf ihre sie untersucht werden. Wie dem auch sei: Das Extrablatt erscheint in Hochglanz und wird schon daher nicht fruchten.