Bartholomäus Edenschläger
Der Coronalist erzählt vom Shotdown (Folge 3)
Ja, da bin ich wieder. Heinz Klugscha, noch 79, natürlich in Rente, früher Werkmeister inne Metallverarbeitung, Gewerkschafter und Sozialdemokrat seit über 60 Jahre. Im Februar hab ich noch die Ehrenurkunden gekriegt, deshalb weiß ich dat so genau, und eigentlich sollte da noch ne Feier sein, also zwei sogar, SPD und DGB sind ja schon noch getrennt, aber dann kam Corona, und ob dat dann noch wat wird mit die Ehrung, dat steht inne Sterne.
Ich hab da getz ein Problem. Ich weiß, eigentlich wollt ich in der letzten Folge ja schon mit diesen Shotdown durch sein, aber wie et eben so is. Da kommt man von Hölzken auf Stöcksken, und schon is de Zeit um. Also, die ham mich gebeten, ab getz bisken zügiger zu machen, weil et sonst Probleme gäb, sich dat alles zu merken. Dat geht ja so schnell getz, mit der Öffnung und so, also ich mein: viel zu schnell! und da kannze dich kaum noch erinnern, wie dattat in März und April noch gewesen ist, also diese Zustände in Shotdown. Ich soll also klare Linie beibehalten und nicht abschweifen, ham se mir gesagt. Aber zu den Shotdown, also ich mein zu diesen Shutdown muss ich mich noch entschuldigen. Ich hab immer gedacht, dattat wat mit schießen zu tun hat, also niederschießen und so. Kam wahrscheinlich von de Bazooka von den Genossen Olaf, so als er dat anfangs gesagt hat für diese Staatshilfen. Dabei geht et ja nur um schließen, also zuschließen vonne Wirtschaft und so. Obwohl dat auch schon ganz schön wehtun kann, wenn ich an de Bundesliga denke. Aber ich steh natürlich dahinter, klar. „Fußball is unser Leben!“ Ja, schön und gut, aber wenn im Stadion dat Corona lauert, is bald nix mehr mit Leben. Ich mein, der DFB hat schon so viel geschafft, aus’n Stadion rauszuhalten: Hooligans, Pyro, Alkohol, Rassismus – ja, nicht immer, aber der Wille zählt! Nur gegen so Corona-Viren, da ist sogar der DFB machtlos. Die kommen ja überall durch, und weil die Fans sowieso mit ihre Mannschaft mitfiebern, fällt da son Superspreader am Einlass gar nicht auf, und dann is de Kacke am dampfen. Fällt da ein Tor für den Superspreader seine Mannschaft, da kannze aber ein drauf lassen, datt die Virenlast dann alles platt macht. Dat mit den Superspreader is aber ja erst seit kurzen. Anfangs haben ja noch alle gedacht, dat käme von den Abstand, also dat eigentlich alle so gut wie infiziert sind, und dagegen hilft nur dat Kontaktverbot. Und getz weiß man so nach und nach, datt diese Superspreader diesen Kontaktverbot was husten. Wat sag ich husten: Die atmen einfach diese Aerosole aus, nicht dattat böse Absicht ist, nein: So’n Torschrei, so denk ich mir dat, is so ein Superspritzer heißt das wohl übersetzt, denk ich jedenfalls. Ich glaub dat sofort: Wennze einmal auf Schalke gewesen bis, wenn die n Tor gegen Dortmund schießen, dann weiße, wat ich mein: Erstens Tröpfchen überall, und dann rauschen die Aerosole nur so de Tribüne runter auf den Rasen. Ja klar, wenn schon, denn schon. Die paarmal, die ich ins Stadion gehe, leiste ich mir schon Tribüne. Ich hab schließlich immer voll eingezahlt inne Rentenkasse.
Wie gesagt, war für mich von Anfang an klar, datt die Bundesliga mit Corona nicht mehr ging. Klar, datt der DFB da nicht gejubelt hat, geht eben um viel Geld. War schon bisken traurig, datt die Zeitung montags immer so dünn war. Sportschau am Wochenende war auch kaum noch. Aber ich konnte mich immer schon gut anpassen. Keine Fußballtabellen? Lese ich ehmt stattdem die Coronatabellen! Keine Sportschau? Dafür aber Corona-Sondersendungen am laufenden Band. Ich weiß nicht, ob ich schon den alten Spruch vonne Arbeiterbewegung erwähnt habe: „Wissen ist Macht.“ Was immer mein Wahlspruch war. Ich habe in diese Krise so viel gelernt – über dat Virus, über Pandemie, über de Wirtschaft, die Politik undsoweiter, de ganze Palette. Vieles hab ich natürlich auch schon vorher gewusst. Dat mit de Aerosole. Erstens hatten wir die ja schon mal in Verdacht, als et um diesen Ozonloch ging und wir da häufig Knies mit Oskar – wat mein Sohn is – gekriegt haben. Hauptsächlich mit seine Mutter natürlich: „Mamma, in dein Haarspray sind Treibhausgase, nein, die Sprühsahne ess ich nicht“, oder bei mir dann: Warum kannst du die Farbe nicht mit dem Pinsel auftragen, Sprühdosen führen zu Überschwemmungen. Ich muss heute allerdings zugeben, datt ich ne verdammt lange Leitung hatte, bis ich diese Zusammenhänge endlich kapiert hab. Aber getz habe ich dat drauf. Als dann diese Greta mit ihren Schulstreik für dat Klima anfing, wusste ich gleich: Ah, dat Ozonloch. Dat is hartnäckig – genau wie dat Coronavirus. Ich merk, ich verlier schon wieder den roten Faden. Ich war bei die Aerosole und wie die den Virus helfen bei seine Ansteckungsarbeit. Ich mein, dat war mir klar, dattat Virus damit überall hinkommt. Spätestens als klar wurde, datt selbst der Drosten keinen Schimmer hatte, wie sich so viele Leute anstecken konnten. Gucken Se mal: USA, New York! Is doch kein Wunder! Ich war da mal mit Erna mit son Traumschiff und hab mir dat angesehen! Überall diese Wolkenkratzer! Klimaanlagen, wo die Aerosole durch Tausende Räume gepustet werden. Normalerweise ohne Corona, jetzt eben mit. Da reicht doch schon ein Infizierter! Der niest im ersten Stock, und kurz darauf sind die Viren in alle Stockwerke darüber und verteilen sich munter. Wir kennen doch alle so Ami-Krimis, wo irgendwelche Gangster durch die Lüftungsschächte in ein Haus einbrechen, gut, manchmal sind dat auch die Guten, die dann in letzter Sekunde irgendeine Katastrophe verhindern, weil se durch de Lüftungsschächte gekrochen sind. Und diese Viren, die sind ja nicht gut oder böse, die haken sich einfach an die Aerosole fest und gehen dann auf Juck. Und bei Arbeitsschluss sitzen se dann schon in einem Haufen von Infizierten, fahrn mit dem Fahrstuhl nach unten und lachen sich nen Ast, weil die Leute gar nicht merken, dat die da auch infiziert werden. Und dann wundern sich die Amis noch über ihre Zahlen!? Also ich nicht. Ich hab gleich gesagt: Dat wird da ganz übel, bei den Präsidenten. „America first!“ Hatta irgendwie ja recht gehabt. USA sind spitze bei den Toten.
Aber eigentlich hab ich die Aerosole nur erwähnt, und datt ich die gleich in Verdacht hatte neben den Tröpfchen, weil ich erklären wollte, warum wir bei uns im Haus gleich Masken getragen haben, als der Shutdown (getz isset richtig!) losging. Der Wieler und selbst der Drosten haben ja damals noch gesagt: Ach nee, Masken bringen nix. Die halten die Viren sowieso nicht ab. Drosten hat immerhin zugegeben, datt er selbst beim Einkaufen sonne einfache Gesichtsmaske trägt, damit die anderen vor ihm nicht erschrecken. Ich hatte noch ne ganze Latte von Masken ausm Baumarkt, für gegen Staub und so. Die haben wir dann anfangs getragen, bis mein Schwiegertochter Anna mit den Nähen von so Gesichtsmasken angefangen hat.
Dat war schon ne schwere Zeit, muss ich sagen. Gut, die Kinder und Enkel hatten wir ja einigermaßen im Haus abgetrennt, aber Erna und ich, wir wollten uns ja auch nicht gegenseitig anstecken. Klar, dass wir Mitte bis Ende März ab und zu uns mal geschnäuzt haben, und dann war Vorsicht die Mutter vonne Porzellankiste: Masken auf fürn paar Tage, getrennte Betten sowieso, aber dat sagt sich getz so leicht. Natürlich hatte ich voll drauf, wat bei sonne Maske alles zu bedenken is. Wenn ich sonst mal beim Schleifen ne Maske getragen hab, kamet ja nur darauf an, datta kein Staub innen Mund oder inne Nase kam. Hinterher nimmste de Maske einfach ab, wäscht dich dat Gesicht und de Hände und fertig is. Maske kommt innen Restmüll, manchmal hab ich sie auch liegen gelassen für später, wenn se noch ganz passabel aussah nachm Ausklopfen. Nun, da kannze Viren natürlich nicht mit kommen. Und du weiß nie, ob da Viren sind, also musse immer tun als ob doch. Dann: kommen se in de Maske rein, und wenn ja, wie weit? Zunge, Zäpfchen, Mandeln, Rachen, Lunge? Bisse in paar Tage auf Intensiv? Oder alles nur Fehlalarm? Keiner, der dich Bescheid sagt. Schon beim Aufsetzen vonne Maske, also schon vorher heißt et: Hände desinfizieren. Zum Glück war ja vorgesorgt. Also wir immer fleißig desinfiziert. Dann nicht int Gesicht packen, um Himmels willen! Da ham die Viren nur drauf gewartet! Schwupp, sind se in dein Mund und krabbeln auf de Schleimhäute. Und wenn de dann so wie wir Alten zu de Risikogruppe gehörst, dann legen die sich besonders int Zeug, und dann siehst erst recht alt aus.
Man lernt ja sein Partner ganz anders kennen in so eine Krise. Erna zum Beispiel hat ziemlich schnell immer inne Armbeuge gehustet oder auch geniest. Hat se noch so vonne Schweinegrippe drauf, fast automatisch. Also nich, dasse oft niest, eigentlich gar nicht verdächtig, aber man weiß ja bei Corona nie! Also so weit so gut, wenn se nicht auch beim Kochen den Schweiß immer mit den Ärmel abgewischt hätte. Dat hätte unser Verderben sein können. Normalerweise lasse ich Erna ja alleine in der Küche wurschteln, aber in der Quarantäne war mich dat zu unsicher. Mit einen Auge hab ich sie immer beobachtet. Dazu musste ich natürlich inner Tür stehen, und dat kann Erna gar nicht verknusen. ‚Meinze, ich mach dat zum Spaß!‘ Hab ich für sie oft gesagt. Dat war doch nur für der ihre Sicherheit. Immer wenn se wieder den Schweiß am Ärmel abputzen wollte, hab ich Alarm gegeben – also nich, dattich wat gesagt hätte, dat hätte Erna erschreckt, und manchmal hatte se beim Kochen ja auch n Messer inner Hand, und wenn wir eins nicht wollten in diese Zeit, dann war et Notaufnahme Krankenhaus. Wir hatten noch son Kinderspielzeug von früher, als der Enkel noch klein war. Dat quiekt, wenn man draufdrückt, aber nich so, datt man erschreckt. Bald hab ich sie dann soweit trainiert, datt sie den Arm rechtzeitig wieder runtergenommen hat, bevor auch nur ein Virus ne Chance hatte, rüberzuspringen. Ich hab ihr dann den Schweiß mitm Papiertuch abgetupft. Dat war leichter gesagt als getan, wegen den Abstand von ein Meter (später dann sogar einsfuffzig). Zum Glück stand im Keller noch son Abfallgreifer rum. Damit ging et dann mit’n bisken Übung. Paarmal hab ich Erna allerdings dabei die Brille verschmiert. Die musste dann erst wieder desinfiziert werden. Erna also in die andere Ecke vonner Küche, Hände desinfiziert, Brille ab, Brille desinfiziert, Brille auf, dann wieder Hände desinfiziert, und erst danach konnte sie dann wieder annen Herd und mich beim Umrühren ablösen. Natürlich hab ich nach drei Tage geschnallt, datt ich immer einen Extra-Kochlöffel inner Plastikschürze hatte, wegen diese Infektionsgefahr an den Griff.
Nach fünf Tagen wurd uns dat zu viel, und die Infektionskurve in Deutschland war ja auch schon exponentiell, also total steil. Und weil ja die Digitalisierung ein Ausweg aus den Dilemma is, hab ich mich dann von Oskar ne Cam geben lassen – dat war auch noch en Drama für sich, wegen Kontaktverbot. Die Übergabe im Treppenhaus war kein so großes Problem, aber mit den ganzen Netzwerkkram kenn ich mich nicht mehr so aus, weil ich rechtzeitig in Vorruhestand gegangen bin. Gut, en bisken weiß ich schon, so für den Alltag, aber für de Überwachungscam in der Küche musste ich meinen neuen Rechner erst mal auf Fernzugriff umstellen, damit Oskar von seinen Rechner aus die ganzen Einstellungen machen konnte. Vorher musst er mir die Umstellung erst mal mit Skype erklären. Das war schon vorinstalliert, und das kennen wir auch schon, weil Anna das oft für ihre Familie in Thailand braucht, datt se den Kontakt nicht verliert und so. Bei sonne Entfernung ist dat ja auch ne große Hilfe. Mit mein Sohn skypen, obwohl der nur knapp drei Meter unter mir sitzt, is schon bisken komisch. Aber dat is halt Corona!
Lassen wir die Kleinigkeiten mal weg: Ich kann getz jedenfalls von mein Rechner aus gucken, wann Erna in de Küche mal wieder ihren Schweiß am Ärmel abputzen will, und dann drück ich sozusagen den Alarmknopf, und gut is. Meistens jedenfalls. Manchmal brennt ihr das Desinfektionstuch noch in die Augen, wenn ich mit diesem Greifer nicht genau arbeite.
Natürlich hab ich Wichtigeres zu tun, als ständig auf den Bildschirm glotzen, bis Erna mal wieder Schweiß abwischen will. Dat Küchenvideo hab ich nur klein rechts unten am Bildschirm. Ansonsten gucke ich Informationen zu Corona. Ich weiß ja, datt Erna erst nach einige Zeit ins Schwitzen kommt, und auch nicht immer. Wenn dat wirklich richtig Maloche wär, würd ich ihr ja öfter helfen, aber dann hätten wir in der Küche ein echtes Problem! Ich mach also Stichproben bei de Kontrolle. Dat kenn ich noch von früher auße Firma.
Wo ich grad Kontrolle sag: Ich hab im ersten Beitrag noch gestaunt, wie eifrig mein Sohn im Homeoffice ist. Getz, nach all den Lockerungen, wo wir schon ma draußen in Garten wieder ganz zwanglos – mit de Masken auf natürlich – quatschen können, sagt der mir doch, datt sein Chef ihn über den Rechner die ganze Zeit beobachtet. Der weiß genau, wann Oskar Pause macht, der zeichnet jeden Tastenanschlag auf, kriegt mit, welche Internetseiten besucht werden undsoweiter. Dat hätte ich mich als Vorarbeiter und später als Meister damals auch gewünscht. Aber ich musste noch zu Fuß rumgehen und kontrollieren und machen und tun. Dabei musste dat ganz natürlich aussehen. Schließlich wollte ich auch noch in den Betriebsrat gewählt werden. Ich weiß, Eigenlob stinkt, aber ich war ganz gut darin. Schlendrian gabs nich bei mir. Und trotzdem mochten mich die Kollegen. Nicht alle, aber die meisten.
Ich hab jetzt die ganze Zeit gesprochen, als ob hier alles immer noch so wär wie vor ein Monat. Natürlich gibbet auch bei uns in Haus Lockerungen. Die Plexiglassscheibe inne Mitte vonnen Esstisch habe ich schon vor zehn Tage wieder gebaut. Mal sehn, ob wir uns später nen neuen kaufen, aber der muss dann noch länger sein, falls die zweite Welle kommt oder irgendein Virus-Mutant. Die Bohrlöcher hab ich nur provisorisch zugeschmiert. In de Küche ist jetzt auch alles viel lockerer, seit wir dat mit den Aerosolen wissen. Zum Glück, sag ich nur, habe ich damals schon den Dunstabzug nach draußen legen lassen. Ich krieg die Krise, wenn ich mich vorstelle, datt beim Kochen die ganzen Aerosole mit den Viren drauf immer lustig in der Küche herumfliegen. Jetzt gehen die nämlich hastenichgesehn schnurstracks nach draußen – und nicht nur beim Kochen! Fast wär dat doch ein Problem geworden, weil der Mieter in der Einliegerwohnung – hab ich den noch nicht erwähnt? Ich glaub doch. Dat ist son Professor oder so, jedenfalls an der Uni, noch ziemlich jung, immer befristete Verträge, und Erna behauptet, mit seine Freundinnen lief dat auch so: immer nur befristet. Ich bin da nich so pingelig mit wie Erna, aber jetzt hattat auch für mich zu doll getrieben. Schon als et mit dem Lockdown so losging und man sich um Nachbarn kümmern sollte und so, aber auf Abstand – ich gleich bei Oskar angerufen und vorgeschlagen, dat wir ihm zum Teil die Miete stunden, wenn er dafür ab und zu für uns einkauft. Gartenbenutzung wär aber nicht mehr drin, weil Erna und ich als Risikogruppe den für uns brauchen, zumindest die Hälfte, und die andere Hälfte für die Enkel, weil die brauchen auch Auslauf. Glücklicherweise ham Oskar und Anna da in den letzten Jahren en Privatspielplatz angelegt mit allem Drumunddran. Da konnten die geschlossnen öffentlichen Spielplätze denen gestohlen bleiben. Klar, datt wir die Hälften zumindest provisorisch mit so rotweiße Bänder abgeteilt haben, obwohl wir nie gleichzeitig mit die Enkel im Garten warn.
Aber wieder zu diesen Mieter, eigentlich nen ganz netten Kerl. Im Kontaktverbot hab ich mindestens zweimal aufm Monitor mitgekriegt, wie er Besuch von seine Freundin kriegt. Gut, dat wir draußen auch noch Kameras angebracht haben. Natürlich nur in den privaten Bereich. Aber da wohnt der eben drin. Bein ersten Mal, gut, hat Oskar noch nichts gesagt. Einmal is keinmal! Aber beim zweiten Mal war klar, dattat so nich weitergehen kann. Also hab ich Oskar am nächsten Morgen bei de tägliche Zoom-Besprechung gesagt, datt wir Alte auch leben wollen und datt er ihn am besten fristlos kündigen soll. Wir lassen uns doch nicht in unserm eigenen Haus von fremden Leuten anstecken. Oskar war dat erstmal peinlich. Er also mit ihm telefoniert, erklärt ihm den Ernst der Lage. Bestimmt hat er nur gesagt, datt er sich um seine Eltern Sorgen macht und wenn dat noch einmal vorkommt, dattan Schicht im Schacht wär. Aber dieser Professor – eigentlich do ein gebildeter Mensch, sollte man meinen, war ein Coronaleugner, wie er im Buch steht, sagt Oskar jedenfalls, und ich glaub ihm das. Der kam also mit Freiheit und Grundrechte um de Ecke, Grundgesetz undsoweiter, all son spinnertes Zeug, jedenfalls bei Pandemie – sonst hab ich ja nix dagegen, im Gegenteil! Da wurdet auch Oskar klar, datt da eine Zeitbombe im Haus tickt, und er hat ihn tatsächlich fristlos gekündigt. Dieser Spinner ist ziemlich schnell ausgezogen – wahrscheinlich zu seiner Ollen, aber unter Protest: „Wir sehen uns vor Gericht wieder!“ hat er geschrien. Dat wolln wa dann ma sehn! Getz is die Wohnung jedenfalls leer, er hatt sowieso nicht viele Sachen drin gehabt. Sonst wär dat mit den Umzug ja auch schwierig geworden.
Und so isses getzt kein Problem, datt der Dunstabzug der ganze Tag die Aerosole nach draußen pustet. Nur mein Enkelin Lissy darf dat nich spitzkriegen. Die is noch keine zehn, aber die macht sich schon solche Sorgen um diese Einskommafünf Grad, also den Klimawandel undsoweiter. Bisken kann ich dat ja verstehen. Als ich in den Alter war, hat mein Mutter auch dauernd gemeckert: „Mach dat Licht im Flur aus – is noch hell genug für de Schularbeiten – wozu müssen da zwei Lampen brennen?“ Undsoweiter. Und dabei hatten wir zusammen höchstens zweihundert Watt, höchstens! Die zieht Lissy ihren Rechner locker allein, wenn se mitm Home-Schuling zugange is.
Ja, da is noch ne ganze Latte von Dinge aus den Lockdown, die ich immer noch nich erzählt hab. Is einfach so ne Menge, weil dat ja Vieles, ach wat sarich – Alles betrifft! Jedenfalls ham wir mit unsern konsequenten Verhalten Leben gerettet, nich nur unser eigenes. Wie viele et waren, kann keiner sagen. Aber guck mal nach Italien, dann weißte, was ich mein. Oder Spanien, oder Amerika! Deutsche sind eben disziplinierter, da beißt die Maus kein Faden ab. Ich denk dabei nicht nur an richtige Deutsche wie mich, sondern auch solche, die hier hergekommen sind, um zu arbeiten, sich eine Existenz aufzubauen, in der Richtung. Ich hab jahrelang son Aufkleber auf’m Schutzhelm gehabt: „Mach meinen Kumpel nicht an!“ Und da steh ich zu, trotz allem. Ich find, das hat sich gut entwickelt. Klar, die Rechten sind nach wie vor ein Problem. Aber wenn du siehst, wie inzwischen Ausländer an der Tür vom Baumarkt undsoweiter stehen, solche Muckis, schicke Uniform, Gesichtsmaske, und die passen auf, datt die Deutschen un watta sonst so einkaufen will coronamäßig alles richtig machen, dann weißte doch, dat manches auch besser geworden is.
So gesehen, hat Corona auch sein Gutes gehabt. Aber dazu demnächst mehr!
6.6.2020