3. Die Welt made by DARPA
In den 1950er Jahren legte sich das amerikanische Verteidigungsministerium, gedemütigt durch den Start der Sputnik, die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) zu. Die DARPA steht mit ihren finanziellen Fördermitteln am Ursprung des Internets, der Computermaus, der Fenster von Windows, der Hyperlinks, der ersten Telefonkonferenz, des Vorläufers von Google Street View, des GPS, der Cloud, des Spracherkennungssystems Siri, der Anonymisierungssoftware Tor und nun der Boten-RNA-„Impfstoffe“: Wie kann man da nur glauben, dass der Kalte Krieg jeden Aspekt des zeitgenössischen Lebens geprägt hat? Wenn man anerkennt, dass die Welt, in der wir heute leben, durch die Technologien hervorgebracht wurde, deren Entwicklung die DARPA vor fünfzig Jahren finanzierte, und wenn man sich ein wenig über die aktuelle Forschung der DARPA informiert, kommen einem, angesichts der Vorstellung der Welt von morgen, Selbstmordgedanken. Das Insect Allies Program, das Insekten nutzen will, um gentechnisch veränderte Viren in die landwirtschaftlichen Anbauflächen feindlicher Länder einzuschleusen, um die Ernten zu verwüsten. Das In Vivo Nanoplatforms Program, das implantierbare Nanoplattformen entwickelt, die es erlauben, das Vorhandensein bestimmter Moleküle im Körper nachzuweisen, und die aus der Ferne abfragbar sind. Das Living Foundries Program („Lebende Gießereien“), das darauf abzielt, den Zellstoffwechsel zu unterwandern, um den menschlichen Körper dazu zu bringen, dieses oder jenes ihm unbekannte Protein zu produzieren. Das Next-Generation Nonsurgical Neurotechnology Program („Nicht-chirurgische Neurotechnologie der nächsten Generation“), das „nicht-invasive“ Computer-Hirn-Schnittstellen entwickeln möchte, um die digitalen Hirnimplantate hinter sich zu lassen, mit denen die DARPA bereits innerhalb der erklärten Idee der „Gedankenkontrolle“ experimentiert. Die lächerlichsten Fantasien, die man den Verschwörungstheoretikern zuschreibt, bleiben immer hinter denen zurück, die das „Gehirn des Pentagons“ bevölkern. Ihre gegenwärtige Forschungsrichtung reduziert sich auf die Vereinheitlichung der NBIC-Technologien (Nanotechnology, Biotechnology, Information technology and Cognitive science) „zur Verbesserung der menschlichen Leistungsfähigkeit“, deren Programm im Dezember 2001 auf einem Kolloquium in Washington festgelegt wurde. Organisiert von dem transhumanistischen Religionssoziologen William Bainbridge, unter der Schirmherrschaft der National Science Foundation. Dieses Programm fantasiert von einer „neuen Renaissance“ und einer „Vereinigung der Wissenschaften“, ermöglicht durch Verallgemeinerung der Nanotechnik, die fähig ist, die Materie von ihrem kleinsten Teilchen aus neu zu konfigurieren. Dies würde die Trennung zwischen dem Organischen und dem Anorganischen beenden und „die Menschheit könnte ein einzigartiges, verteiltes und vernetztes ‚Gehirn‘ werden“. Dieses Programm, dessen militärische Seite die DARPA entwickelt, während das WEF in Davos unter dem Namen „vierte industrielle Revolution“ den zivilen Nutzen versichert, ist „eine Verschmelzung von Technologien, die die Grenzen zwischen der physischen, digitalen und biologischen Sphäre beseitigt“, wie Schwab zusammenfasst. Übrigens waren 2001 auf der Gründungskonferenz „Converging Technologies for Improving Human Performance“ unter den Rednern neben Industriellen, Akademikern, Politikern und Technokraten auch Militärs der DARPA vertreten. Es ist nicht verwunderlich, dass der derzeitige Direktor für „Innovative Technologielösungen“ bei der Gates-Stiftung kein anderer ist als der Armeegenetiker, der Anfang der 2010er Jahre die Forschung an Boten-RNA-Impfstoffen bei der DARPA angeregt hat. Das transhumanistische Projekt zur Verbesserung natürlicher Prozesse und menschlicher Funktionstüchtigkeit hat seit seiner Geburt niemals seine zweite Bestimmung verheimlicht, auch die Aufrechterhaltung der geostrategischen Hegemonie der USA zu gewährleisten. Erst nachdem Europa – ein braves Mädchen – es auf seine Weise adaptierte, gehörte es zum guten Ton, seine grundsätzlich zivilmilitärische Natur zu verbergen. Der Bericht der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2004, der den der NSF umschreibt – Konvergierende Technologien. Die Zukunft der europäischen Gesellschaften gestalten – ist in dieser Hinsicht vorbildlich. Die späteren Berichte der Kommission über die „Vorbereitung unserer Zukunft“ sprechen lieber von „generischen Schlüsseltechnologien“, um die Technologien der NBIC zu bezeichnen, aber das ist nur Getue: Das Projekt bleibt das gleiche. Auf das OECD-Papier aus dem Jahr 2009, The Bioeconomy to 2030: Designing a Policy Agenda, folgt eine Reihe von Berichten über die „Innovation für nachhaltiges Wachstum“, in denen die Europäische Kommission denselben Inhalt wiederverwertet, diesmal unter dem Codewort „Bioökonomie“. All dies mündet schließlich in den European Green Deal für eine „neue Wachstumsstrategie“ vom Dezember 2019. Inzwischen sind die katastrophalen Folgen von zwei Jahrhunderten kapitalistischen Wachstums offensichtlich geworden: Also verkauft man die genetisch veränderten Mikroorganismen, sogar das „Proteindesign“, die „hochpräzise“ Landwirtschaft mit ihren Drohnen und autonomen Traktoren, die Verallgemeinerung von Big Data, die Smart Grids, 5G, das Internet der Körper und die vernetzten Objekte als Heilmittel für die Umwelt- und Klimakatastrophe. Die Zusammenführung der NBIC-Technologien wird von nun an im neuen technokratischen Jargon „grünes Wachstum“ genannt. Es geht darum, „den wirtschaftlichen Wert der Natur freizusetzen“ und „eine intelligentere Bevölkerung“ zu produzieren, „um die von uns geschaffenen Probleme zu lösen“, wie es der Chef eines Start-up-Unternehmens im Silicon Valley so treffend formuliert. Auch hier schlägt man als Lösung für ein neuartiges Problem ein Projekt vor, das in Wirklichkeit schon lange existierte und das es nur noch vertiefen kann.
Ein weiteres Beispiel: Anders, als es die offizielle Saga will, gehen die Verbindungen zwischen Google und den US-Geheimdiensten nicht auf die Rekrutierung ihres CEO Eric Schmidt zurück, der unter Obama zum Leiter eines Beratungsgremiums des Militärs wurde. Auch nicht auf den Tag im Jahr 2004, als Google Keyhole aufkaufte, ein Unternehmen für Kartographie, dessen Hauptinvestor der CIA-Investmentfonds In-Q-Tel ist, um daraus Google Earth zu machen. Auch nicht auf den Tag im Jahr 2003, als man in Mountain View ein spezielles Suchwerkzeug für die NSA entwickelte. Diese Verbindungen sind ursprünglich und organisch. Die „nachrichtendienstliche Gemeinschaft der USA“ war die gute Fee bei der Entstehung Googles, die ihren Traum verwirklicht hat. In den 1990ern sahen die amerikanische Geheimdienste – obwohl die NSA daran scheiterte, in jeden in den USA produzierten Computer einen Clipper-Chip einzubauen, der ihr einen Zugriff von außen gewährt hätte – mit Genuss die Masse der weltweit zirkulierenden Daten wachsen und damit auch die Masse der von ihnen insbesondere dank des Echelon-Netzwerks – natürlich unter Verletzung aller bestehenden Konventionen – abgefangenen Daten. Ihr unverwüstliches Ideal besteht darin, alles zu registrieren, alles zu speichern und, wenn möglich, alles zu verarbeiten. Doch fehlen ihnen die Werkzeuge, um die „Informationen im weltweiten Maßstab so zu organisieren, dass sie zugänglich und nutzbar sind“ – eine Mission, der sich – wie überraschend – Google ganz offiziell widmet. Der Traum der NSA wurde 2003 von ihrem Ex-Admiral Pointdexter formuliert, der sein Total Information Awareness Program als „Manhattan-Projekt der Terrorismusbekämpfung“ präsentierte: „Die aus den Daten extrahierten, relevanten Informationen müssen, erweitert um semantischen Inhalt, in groß angelegten Speichern verfügbar gemacht werden, damit die Aufgaben der Analyse erfüllt werden können.“
Aber den Diensten fehlte in den 1990er Jahren eine Suchmaschine, mit der sie ihren Ozean aus gestohlenen Daten auswerten konnten. Im Jahr 1993 wurde unter Beteiligung aller möglichen Akademiker aus der Informatik das Projekt Massive Digital Data Systems (MDDS) lanciert. Hier die Absichtserklärung: „Die Gemeinschaft der Geheimdienste – gemeint sind CIA und NSA – nehmen eine proaktive Rolle ein, um die Forschung auf dem Gebiet der effizienten Verarbeitung riesiger Datenbanken anzuregen und sicherzustellen, dass die Anforderungen der Intelligence Community in kommerzielle Produkte eingebaut und von ihnen adaptiert werden.“ 1995 erhielten Lawrence Page und Sergey Brin, die späteren Gründer von Google, damals jedoch noch Studenten von Terry Winograd in Stanford, zwei Stipendien: ein wohl bekanntes von der DARPA, für den Aufbau einer Megabibliothek, die das Internet als Skelett benutzt, und ein anderes, leider vergessenes, das sich mit der Verarbeitung von Nutzeranfragen befasst und vom MDDS finanziert wurde. Also durch die „Gemeinschaft der Geheimdienste“. Wie es 1998 der Text von Brin, Page und Winograd – Was kannst du mit dem Netz in der Hosentasche anfangen? – gut ausführt, ist Googles Page-Rank-Algorithmus die Antwort auf die sich der „Geheimdienstgemeinde“ stellenden Frage: Wie kann man, ausgehend von den gezielten Suchanfragen der Nutzer, all die im Netz verstreuten Informationen organisieren?
Die Mär will, dass der Überwachungskapitalismus auf den Tag im Jahr 2001 zurückgeht, als die vom schrecklichen 11. September überraschte USA bereitwillig ihre exklusiven demokratischen Standards senkten, indem sie der Massenüberwachung ihrer Bürger zustimmten. Später hat man dann erstaunt entdeckt, dass sich die polizeiliche Massenüberwachung auf wundersame Weise mit den Interessen von GAFAM (Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft) deckt, die erpicht auf diese vielversprechenden und ergiebigen Daten über ihre Nutzer sind, um diesen „Verhaltensmehrwert“ in bare Münze zu verwandeln!
Diese Mär ist lächerlich.
Sich auf den ehemaligen CIA- und NSA-Chef Michael Hayden zu verlassen, der 2013 öffentlich zugab, dass man die CIA nach dem 11. September „zu Recht der Militarisierung des Internets beschuldigen könnte“, ist zum Totlachen. Damit schreibt Hayden lediglich einen falschen Ausgangspunkt der Ereignisse fest, um dem Feind, wenn diese einmal aufgedeckt sind, den Ursprung seiner eigenen Schandtaten unterzuschieben. Nicht 2002 und auch nicht 2010, sondern 1997 dekretierte der CIA-Direktor George Tenet, beseelt von maoistischer Metaphorik: „Die CIA muss im Valley schwimmen.“ Der 11. September diente als nachträgliche Rechtfertigung für den Kontrollwahn, der seit dem Zweiten Weltkrieg die Existenzberechtigung der „Gemeinschaft der Geheimdienste“ bildet.
Für manche ist Paranoia eine Krankheit; für andere ist sie nur ein Gewerbe.
Die kränksten Menschen sind nicht unbedingt die, die man dafür hält.
Ein guter Teil der uns umgebenden Technologien von den jüngsten „Impfstoffen“, unserer industriellen Weise zu fressen sogar bis zur Temperatur, die wir im Winter haben werden – all das sind weitgehend absichtliche Nebenprodukte der Forschungsprogramme, die von gefährlichen Paranoikern initiiert wurden, die in ihrem ewigen Kalten Krieg gefangen sind.
Man könnte sich endlos über diese Archäologie der Gegenwart ausbreiten.
Und sich eine Welt nach Art der Gnostiker vorstellen. Eine Welt, die von einem bösen Demiurgen erschaffen wurde, der Finsternis geweiht und in den Händen allmächtiger Kosmokraten.
Und das wäre nicht notwendigerweise falsch.
Aber es wäre gegenstandslos.
Die Faszination für die kleinsten Gesten des Teufels und seine Souveränität in dieser Welt dient nur dazu, unsere Ohnmacht zu bestätigen, unserer Passivität zu schmeicheln und uns davon zu entlasten, dass auch wir Geschichte machen müssen, und zwar genau in dem Moment, in dem wir beginnen, die nötige Kunstfertigkeit und Methoden zu erlangen.
„Vielleicht stellt jedes System, das behauptet: Diese Welt ist erbärmlich, wartet auf die nächste, lasst ab, tut nichts, gebt auf – die grundlegende Lüge dar.“ (Philip K. Dick, Die Exegese)