NICHT MEHR MAGAZIN
Das MAGAZIN war eine Zeitschrift, die in zwangloser Folge von 2004 bis 2010 erschien und seit ihrer Einstellung vollständig online archiviert ist.
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Bernd Volkert
Kleine Geschichte der jüngeren Zeit
Genommen der Wald.
Genommen der Bach und der Fluß.
Genommen die Wiesen.
Genommen die Äcker.
Genommen der Hammer, der Amboss, die Säge und Hacke.
Gegeben die Vernunft.
Gegeben die Freiheit und Menschen der Rechte.
Gegeben der Kataster.
Gegeben die Fabriken.
Gegeben das Automobil, die Zentralheizung und CNC-Fräsmaschine.
Genommen die Bildung des Herzens und Kopfs.
Gegeben die Mitwirkung.
Genommen die Körper.
Gegeben die Mitwirkung.
Genommen der Mund.
Gegeben die Mitwirkung.
Genommen das Antlitz.
Gegeben das zoon.
Genommen das politikon.
(Dies alles schon selbst.
Sozusagen.)
20.9.2020
Zu den Einzelnen
Hat man dem, was einem im Leben widerfährt, nichts anderes entgegenzusetzen als Ablehnung oder gar Abwehr, zumal, wenn man weder in praktischen Sinne noch gedanklich über eine eigene Vorstellung eines anders gangbaren Wegs verfügt, so führt dies, am leichtesten einsehbar im extremen Fall des Hasses, bei einem selbst zu Verhärtungen, Borniertheiten, Wirklichkeitsverlust und -flucht. Um diese Folgen wenigstens gering zu halten und die mit ihnen verbundene Gefahr ihres erweiterten Selbstlaufs zu bannen, muß man sich – gerade in dieser Gesellschaft lebend – ihrer bewußt zu werden und sie im Blick zu halten versuchen.
Nochmal zur Zeitenwende
Die Abwehr von Verschwörungstheorien ist gegenwärtig nur die Abwehr, überhaupt strukturiert über ökonomische, militärische und politische Prozesse nachzudenken. Man verpaßt so die Geschichte und ihre Wendepunkte, denn die Geschichte ist selbstverständlich voller Verschwörungen, vollzieht sich nicht von selbst. Und man verabschiedet sich von jedem Gedanken, sich vielleicht selbst gegen diese Welt zu verschwören. Oft sind die Ziele sogenannter Verschwörungen kaum verborgen, da man bei größeren Heimlichtuereien mindestens das Resultat sieht. Die meisten Verschwörungen heißen dabei schlicht Politik.
Heraus zum Fest!
Das Syndikat soll bleiben!
Allgemein gesprochen ist es immer seltsam, wenn eine gut laufende Einrichtung nur deshalb schließen muß, weil eine Eigentumsbestie das so will. Im Fall des Syndikats muß man dazu sagen, dass es im Prinzip genug öffentliches Interesse gibt, diesen Laden zu erhalten. Selbst der dahergelaufene Kultursenator Klaus Lederer sieht das so, aber auch Sibylle Berg, Nina Hagen oder Elfriede Jelinek. Letztere ist immerhin Nobelpreisträgerin. Dazu viele andere sogenannte Kulturschaffende. Selbst Didier Eribon oder das lächerliche Bummbumm-Label Audiolith (Egotronic). Außerdem haben zahlreiche Kleinbürger des Schillerkiezes bekundet, dass sie diesen Laden erhalten sehen wollen, da sie gute Menschen sind oder wissen, dass es ihr Laden ist, der als nächstes schließen muss.
Bartholomäus Edenschläger
Coronalist (Folge 4)
Aintlich wolltich ja mich schon letztens wieder melden, aber zu die Zeit is so viel passiert, dat musstich ersma orntlich vaarbeiten. Nich dattse denken, ich wär in Urlaub gewesen. Ich doch nich! Mitten in de Pandemie tu ich doch nich bei de zweite Welle helfen. So weit kommt dat noch!
Das Rätsel der Königsgrippe
Im »Deutschlandfunk« sagt dieser Tage, also Ende Juni, ein Statistiker, dass bezüglich Corona noch kaum eine zentrale Frage geklärt ist und es offenbar wenige Bestrebungen in dieser Richtung gibt. Innerhalb von drei Monaten habe es keinen nennenswerten wissenschaftlichen Fortschritt gegeben, während die Wissenschaft inzwischen antritt, Mallorca für deutsche Touristen zurückzuerobern. Je länger der Irrsinn geht, desto weniger interessieren die grundsätzlichen Fragen. Die aber sind weiter ungelöst.
Der gelangweitle Marx
Zweitagesseminar mit Franz Hahn in Halle (Burg), 4.7. und 5.7.2020
Nachdem in der ersten Veranstaltung einige Texte von Marx aus seiner Sturm-und-Drang-Phase besprochen wurden, nun eine weitere Sitzung, die sich dem gelangweilten Marx der Zwischenphase widmet. Der Sturm der bürgerlichen Revolution war gerade vorbei, ihr Freiheitspathos verblichen, aber die neuen Arbeiterrevolutionen ließen noch auf sich warten. Marx hat diese Zeit sein Leben dem Studium und der Kritik der Ökonomie gewidmet und nebenbei unendlich viele Artikel im wesentlichen über diverse gewaltsame internationale Konflikte geschrieben. Für Zeitungen. Bemerkenswert immerhin seine Indienberichterstattung. Und dann eben den ersten Band des berüchtigten Kapitals. Beides ist Gegenstand eines Zweitagesseminars. Außerdem sollen die Statuten der 1864 gegründeten ersten internationalen Arbeiterassoziation, dessen Inauguraladresse und ein Brief an Abraham Lincoln gelesen werden. Damit wurde die Sache wieder politischer.
Riot-20-Epidemie in den USA
Der Direktor des Instituts für vergleichende und evidenzbasierte Riotologie in Minneapolis, Professor Doktor Wittikowski, im Gespräch mit Radio Blubb
Radio Blubb: Herr Professor Doktor Wittikowski, wir alle haben die Bilder aus unseren Städten gesehen. Ganze Viertel sind außer Kontrolle geraten, es wurden Scheiben zerschlagen, Autos angezündet und Geschäfte geplündert. Eine Riot-Epidemie. Inzwischen wurde die Nationalgarde eingesetzt, um das Virus unter Kontrolle zu bekommen. Sie aber sagen: Stop, die Maßnahmen sind überzogen, es handle sich einfach um einen weiteren Riot, wie er zum Kapitalismus dazugehört und wie er periodisch immer wieder ausbricht. Stimmt das?
Bartholomäus Edenschläger
Der Coronalist erzählt vom Shotdown (Folge 3)
Ja, da bin ich wieder. Heinz Klugscha, noch 79, natürlich in Rente, früher Werkmeister inne Metallverarbeitung, Gewerkschafter und Sozialdemokrat seit über 60 Jahre. Im Februar hab ich noch die Ehrenurkunden gekriegt, deshalb weiß ich dat so genau, und eigentlich sollte da noch ne Feier sein, also zwei sogar, SPD und DGB sind ja schon noch getrennt, aber dann kam Corona, und ob dat dann noch wat wird mit die Ehrung, dat steht inne Sterne.
Jan Arndt
Corona – eine Revolutionsphantasie
»Mit dem Schritt, mit dem ich mir eine Umwelt erobere, setze ich mich der Gefahr des Irrtums aus.« Gottlob Frege
Angenommen, es wäre letzten November auf einem chinesischen Nassmarkt oder einer Marderfarm nicht zur Zoonose gekommen. Angenommen, die globale Welle der Aufstände, Proteste, Rebellionen, Platzbesetzungen, Riots, Streiks, Straßenblockaden … hätte sich weiter aufgetürmt und wäre 2020 in die Zentren kapitalistischer Reichtumsproduktion gespült. Angenommen, die Momente einer Vereinheitlichung der oberflächlich heterogenen Proteste und Klassenkämpfe hätten sich mehr und mehr zu einer, wie sagt man heute?, Evidenz verknüpft. Angenommen, im November 2020 wäre es dann auf einem chinesischen Nassmarkt oder einer Marderfarm zur Zoonose gekommen und man hätte von Covid-20 sprechen können: Was wäre passiert?
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