NICHT MEHR MAGAZIN
Das MAGAZIN war eine Zeitschrift, die in zwangloser Folge von 2004 bis 2010 erschien und seit ihrer Einstellung vollständig online archiviert ist.
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Über den Atomismus
Die Isolation der Individuen ist konstitutiv für die bürgerliche Gesellschaft. Die Vereinigung der Gattung durch die unsichtbare Hand, dann den Staat und durch das große Kapital, all diese Techniken der Macht setzen die radikale Isolation der Menschen bereits voraus. Ins Nichts geworfen zu sein, doppelt frei und dann gezwungen, sich einem schlechten und wegen seiner Alternativlosigkeit sogar vernünftigen Allgemeinen zu unterwerfen, jederzeit in Angst und Furcht, wieder ins Nichts zurück gestoßen zu werden Das alles ist altbekannt… Aber jetzt wo die Leute Covid haben, entstellt sich dieser Mechanismus zur absoluten Kenntlichkeit. Niemals war es daher so schwer, die allgemeine Entfremdung, die allgemeine Verdinglichung sowohl seiner selbst, als der anderen Menschen zu kritisieren. Auch nicht das verdinglichte Verhältnis zur getrennt erscheinenden, eigentlichen Dingwelt, die wiewohl irgendwie von den Menschen hervorgebracht, sie doch als fremde Macht angrinst. Jetzt, wo uns all das einmal mehr rein entgegentritt, sind alle Kritiker stumm. Alle im Bann der Moleküle, Atome & Aerosole.
Avis de tempêtes
An die Krone gekettet
Exemplarisch für eine Fraktion des Anarchismus sei hier die Übersetzung eines Textes dokumentiert, der am 15. März in Avis de tempêtes #27 erschien. Übernommen von non.copyriot.com
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«Die furchterregendste Tyrannei ist nicht die, die den Anschein von Willkür erweckt, sondern die, die mit der Maske der Legalität bedeckt zu uns kommt.» – A. Libertad, 1907
Angesichts der sich weltweit ausbreitenden Covid-19-Epidemie und der drastischen Maßnahmen, die von China bis Italien nacheinander folgen, stellt sich als erstes die Frage, wer zwischen der Henne der Autorität und dem Ei der Unterwerfung derzeit den größten Schaden anrichtet. Diese abrupte staatliche Beschleunigung von Kontrollen, Verboten, Schließungen, Militarisierung, Verpflichtungen, Medienbombardierungen, roten Zonen, Priorisierung von Toten und Leiden, Beschlagnahmungen, Einsperrungen aller Art, die typisch für jede Kriegs- oder Katastrophensituation sind, fällt nämlich nicht vom Himmel.
Lundi Matin
Der Coronavirus und der Ausnahmezustand in jedem Einzelnen
Exemplarisch für eine Fraktion des Anarchismus hier die Übersetzung eines Textes, der am 4. März auf Lundi Matin erschien
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„Der Körper ist das Ziel schlechthin der souveränen Macht.“
Wir wollen denen, von der extremen Rechten bis zur Linken, die vorgeben, daß unsere Imperien sich tatsächlich um ihre Bevölkerung sorgen – „dieses Mal wollen sie wirklich unser Bestes“ –, anders formuliert: daß unsere Imperien frei von Interesse in dieser Gesundheitskrise sind, antworten, indem wir ein paar Anmerkungen zu der hervorragenden Darstellung von Agamben in Il Manifesto vor drei Tagen hinzufügen.
Ausschnitte aus Überwachen und Strafen von Foucault – 1975
Nach einem Reglement vom Ende des 17. Jahrhunderts mussten folgende Maßnahmen ergriffen werden, wenn sich die Pest in einer Stadt ankündigte. Vor allem ein rigoroses Parzellieren des Raumes: Schließung der Stadt und des dazugehörigen Territoriums; Verbot des Verlassens unter Androhung des Todes; Tötung aller herumlaufenden Tiere; Aufteilung der Stadt in verschiedene Viertel […] Der Raum erstarrt zu einem Netz von undurchlässigen Zellen. Jeder ist an seinen Platz gebunden. Wer sich rührt, riskiert sein Leben: Ansteckung oder Bestrafung.
Der Virologe der Nation gibt Auskunft
„Ich bin hier jetzt als wissenschaftlicher Experte in der komfortablen Situation, einfach erklären zu können, wie die Dinge wahrscheinlich sind nach neueren Daten.“ (Dr. Drosten)
Ich glaube
natürlich
es mehrt sich hier der Eindruck
natürlich
langsam zeigen sich anscheinend
immer mehr Hinweise
aus der Wissenschaft
natürlich
wo man einfach immer mehr sagen muss
wahrscheinlich
wie macht man daraus jetzt aber
was?
na ja, man kann natürlich sich
schon Dinge überlegen
ich glaube
vielleicht
muss man einfach
Peter Hacks: Über Corona
»Ich bringe noch das Beispiel des Corona-Virus bei. Da sind Leute, die vorgeben, im Zeitalter von Corona anders schreiben zu müssen als in präpandemischen Zeitaltern. Warum bloß? Daß, was sie mit dem Coronavirus meinen, in Wirklichkeit eine gesellschaftliche Sache ist, zeigt das unterschiedliche Verhalten von Ost- und Westdeutschen dem Coronavirus gegenüber. Hier in der DDR geht das Interesse an Corona über das Interesse jedes denkenden politischen Menschen an der Frage von Kapital und Arbeit nicht hinaus. Hier geht kein Mensch mit Corona zu Bett. Hier sagt kein Mensch, wenn er sich einen Schrank kauft: ›bald kommt sowieso das Virus, ich nehme den billigeren‹. Aber das ist eine typische Haltung eines Bürgers der Bundesrepublik. Für die Westmenschen ist Corona ein Symbol, an dem sie ihre gesellschaftlich verursachte Angst und Unsicherheit aufhängen. Das Coronavirus ist das Unvorhersagbare, Schlimme, also das, was jedes Mitglied einer anarchischen, krisengeschüttelten Gesellschaft stündlich erwartet; nun endlich haben sie für dieses unerklärliche Grundgefühl einen faßbaren Anlaß, einen Fetisch. Die Angst kristallisiert sich an Corona; das Virus ist nicht Ursache der Angst. Die Angst ist ja viel älter. Die Angst interessiert die Kunst sehr, Corona überhaupt nicht.«
Peter Hacks: Literatur im Zeitalter der Wissenschaften (das Wort »Atombombe« durch »Corona« ausgetauscht, genommen von Lyzis Welt)
Bartholomäus Edenschläger
Der Coronalist erzählt vom Shotdown (Folge 2)
Ja, die Zeit nach dem Shotdown oder so war echt hart. Aber man wächst ja mit die Herausforderungen. Isso. War immer schon so. Wie hat Steinmeier in seine Osterpredigt so schön gesagt: „Wir Deutsche verlangen uns auch sonst viel ab und trauen uns viel zu.“ Wahrscheinlich hat er damit den Zweiten Weltkrieg gemeint, oder die Wiedervereinigung oder so etwas. Und dass wir auch in diese Krise wachsen werden hat er gesagt. Das war die Aufmunterung zu Ostern, Auferstehung und so, weil Gottesdienste ja praktisch verboten waren. Mir war das aber schon lange vor Ostern klar. Ganz lange!
The Big Shutdown – Aufzeichnungen aus dem Corona-Krieg 01
Prosecco-Laune und die Leidenschaft der Zerstörung
Von Horst Pankow
Nun ist ja nicht alles schlecht unter dem deutschen Corona-Regime. So finden seit einigen Wochen nicht nur im öffentlichen Nahverkehr Berlins so gut wie keine Ticket-Kontrollen mehr statt. Aus Sicherheitsgründen, beeilen sich Corona-Sympathisanten, Angehörige einer neuen Sozialspezies, die es laut Umfragen immerhin auf weit mehr als 80% der Befragten bringt, mitzuteilen. Da könnten doch schlimme Dinge passieren, wenn Kontrolleure und Kontrollierte in erregte Dispute einträten, die, man weiß ja wie das abläuft, stets mit dem wechselseitigen Austausch infektiöser Speicheltröpfchen verbunden wären. Selten hat sich der Corona-Kritiker über eine „Argumentation“ von Corona-Sympathisanten so gefreut wie über diese. Denn, auch wenn man davon ausginge, ein Ende der gegenwärtigen Veranstaltung sei, wenn auch nicht in absehbarer Zeit, so doch immerhin noch zu Lebzeiten der Beobachter, durchaus denkbar, den „Kontrolletis“ würde man so bald und so häufig wie früher nicht wieder begegnen.
Bartholomäus Edenschläger
Der Coronalist spricht (Folge 1)
Ja, natürlich gebe ich Ihnen gerne Auskunft über unsere Quarantäne. Keine Frage! Wenn ich in meinem Alter – also ich werde bald 80 – und ich tue alles dafür, dass ich das auch noch erlebe! – wenn ich etwas zur Aufklärung beisteuern kann, ist das für mich Lohn und Ehre genug. Aber es geht gar nicht um mich, sondern um uns alle. Wir haben jetzt die erste Corona-Welle in Deutschland erstmal mit einem blauen Auge hinter uns. Aber wir sind noch ganz am Anfang der Pandemie, das muss allen klar sein. Das sagt die Wissenschaft, das sagt die Politik. Und das sage ich auch.
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